Hallo :-)
Durch Zuschauen wird man mit den Konzepten in der Mathematik nicht schlauer.
Es klingt hart, aber Mathematik muss man eben einerseits selbst betreiben (zb durch Übungsaufgaben) und andererseits über Resultate sprechen, da man durch das miteinander Reden doch eine andere Sichtweise auf das gegebene Problem einnimmt, als wenn man nur allein drüber brütet.
Mathematische Beweise, so wie sie in ,,üblicher" Art (nicht immer die schönste) präsentiert werden, sind immer das Ergebnis von einem (durchaus langem) Denkprozess, der statt gefunden hat. Beim Finden eines Beweises tritt man aus meiner Erfahrung gefühlt mehr als die Hälfte in eine Sackgasse oder man stellt fest, dass ein Ansatz doch nicht klappt, weil einem prompt dazu ein Gegenbeispiel einfällt. Mathematische Beweise zu bauen ist viel Schmierarbeit. Man muss dabei immer sämtliche Grundbegriffe/Konzepte vor Augen führen und minuziös gegen kontrollieren, ob das, was man gedanklich gestrickt hat auch mit den Definitionen, Sätzen usw. auch konform ist. Das kann je nach Thema mal mehr mal weniger tiefgründig ausarten.
Beweise, wie man sie also aufschreibt, sind also nur eine Zusammenfassung für den Leser, die einen Leitfaden hergeben, ohne darauf zb einzugehen, wie man denn zb bei einem Stetigkeitsbeweis auf die Wahl vom \(\delta\) gekommen ist. Man läuft eben brutal gerade aus und präsentiert nur das, was per Definition(en) zu zeigen ist (ohne es meist sogar noch explizit zu erwähnen, was man zeigen will).
Nun gibt es aus meiner Sicht tatsächlich einige Arten von Formulierungen in Beweisen, die doch recht arrogant und meiner Meinung nach überflüssig sind und nicht dort hingehören. Diese suggerieren dem Leser, dass es ja so ,,offensichtlich" ist. Das ist aus meiner Sicht keine schöne Art und kann bei Anfängern mal schnell Frustration und Demut hervorrufen. Von daher vermeide ich solche Formulierungen tunlichst. Falls du aber über solche Phrasen stolpern solltest, dann blende sie einfach aus und überlege für dich selber, ob du nun die vom Autor formulierte Aussage aus seinem voran gegangenen Sätzen mit deinem Wissen folgern kannst. Denn oftmals hat sich auch ein Autor lange mit seinem Beweis beschäftigt, was dem Leser eher verborgen bleibt. Man sollte sich also auch immerwieder fragen, was man nicht weiß und versuchen zu klären, was gerade genau einem an einem ,,Beweis" stört.
Mir persönlich half es damals sich erstmal mit kleineren Häpchen an das mathematische Denken heranzutasten und erstmal generell sich mit leichterer Kost zu beschäftigen. Lineare Algebra zb. Dort sind die Konzepte eher schlichter gehalten als in der Analysis, wo die Beweise doch recht schnell auf einen Anfänger verunsichernd wirken können und doch oft sehr frickelig sind, als in der Linearen Algebra.
Oftmals werden gerade in einer Mathevorlesung Grundkonzepte zum Lösen bestimmter Klassen von Problemen gezeigt, die man dann in Übungsaufgaben geeignet einsetzen kann. Und dann gibt es Sachen, die man einfach gesehen haben muss, um eine bestimmte Aufgabe zu lösen.
Man möchte ja eben nicht nur Vermuten, sondern zeigen, dass eine Vermutung stimmt, also beweisen, dass eine Aussage wahr ist. Damit ist aber nicht gemeint, dass ein konkretes Beispiel ausreicht, um eine Aussage zu zeigen. Ein Beispiel wäre die Aussage, dass alle Matrizen bei der Matrixmultiplikation kommutieren. Hier mal ein Beispiel:
$$A=\begin{pmatrix}1&0\\0&1\end{pmatrix},\quad B=\begin{pmatrix}5&8\\9&0\end{pmatrix}.$$
Dann gilt ja hier \(A\cdot B=\begin{pmatrix}5&8\\9&0\end{pmatrix}=B\cdot A\).
Doch jetzt betrachte mal folgende Matrizen:
$$A=\begin{pmatrix}2&1\\0&1\end{pmatrix},\quad B=\begin{pmatrix}5&8\\9&0\end{pmatrix}.$$
Dann gilt jetzt $$A\cdot B=\begin{pmatrix}19&16\\9&0\end{pmatrix}\neq \begin{pmatrix}10&13\\18&9\end{pmatrix}=B\cdot A.$$
Nur weil also ein konkretes Beispiel funktioniert, muss es noch lange nicht allgemein gültig sein. Man kann sich aber auch dann überlegen, für welche Arten von Matrizen, die Kommutativität bei der Matrixmultiplikation erfüllt ist.