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Digitale Werkzeuge haben viele Fragen des herkömmlichen Mathematikunterrichtes trivialisiert. Schon der wissenschaftliche Taschenrechner machte den Einsatz von Tafelwerk, Rechenschieber und logarithmischen Berechnungen obsolet. Der Einsatz von Computer-Algebra zieht die Frage nach sich, ob die Bestimmung charakteristischer Punkte auf einem Funktionsgraphen in der Schulmathematik überhaupt noch geübt werden sollte.

Bevor diese Frage beantwortet werden kann, muss eine andere Frage beantwortet werden: Was soll die Schulmathematik an SuS vermitteln? Zu einer gemeinsamen Antwort auf diese brennende Frage konnte sich die Didaktik leider bisher nicht einigen. Das hat notwendigerweise zur Folge, dass der Einsatz digitaler Werkzeuge nach Kriterien erfolgt, die überwiegend individuell dazu entwickelt wurden. Auf Seiten der SuS besteht die Neigung, noch vor dem Einschalten des Gehirns bereits zum digitalen Werkzeug zu greifen. Auf Seiten der Lehrerinnen und Lehrer reichen die individuellen Vorlieben von uneingeschränktem Gebrauch bis zu fast ablehnender Zurückhaltung.

Wie auch immer, dem Lehren und Lernen von Mathematik dient keine dieser Haltungen. Die unentschlossene Haltung der Didaktik gegenüber den neuen Werkzeugen hat überdies dazu geführt, dass zwischen zwei fundamental verschiedenen Zwecken des digitalen Werkzeugs kaum noch unterschieden wird: Zwischen dem Einsatz mit dem Ziel, ein mathematisch formuliertes Problem zu lösen einerseits und andererseits dem Einsatz mit dem Ziel, Mathematik verstehend zu lernen, die Bedeutung mathematischer Begriffe zu durchdringen und vor allem zu erleben, wie sich mathematischer Wissensgewinn vollzieht.

Um ein mathematisch formuliertes Problem zu lösen, darf der grafikfähige Taschenrechner (GTR) und das Computer-Algebra- System (CAS) bedenkenlos eingesetzt werden. Wenn es allerdings um den Begriffserwerb geht, kann eine automatische Umformung oder das viel zu schnelle Bild eines Graphen viel verschütten. So bleiben zum Beispiel die Begriffsbedeutungen von ‚Integral‘ und ‚Ableitung‘ hinter CAS-Befehlen verborgen und das Aufrufen von Graphen mittels GTR kann die fundamentale Idee des funktionalen Zusammenhangs nicht einleuchtender machen.

Bisher existiert keine Aufgabensammlung, die CAS oder GTR zu methodisch wertvollen Hilfen bei der Durchdringung fundmentaler Ideen macht. Die verbindlichen Unterrichtsinhalte sind überdies sehr arm an Themen, die ohne CAS gar nicht zu bewältigen sind. Für den meisten Lösungen angebotener Aufgaben genügt ein moderater Taschenrechnereinsatz und bei etwas Übung im Kopfrechnen benötigt man in vielen Fällen gar kein digitales Werkzeug zur Problemlösung. Aufgabenvorschläge, die einen CAS-Einsatz nahelegen oder diesen sogar fordern, findet man bei aufmerksamer Suche in der didaktischen Fachliteratur ebenso, wie in ministeriellen Vorgaben und inzwischen auch in Unterrichtswerken. Nicht selten ist die Begründung für den Einsatz digitaler Algebra die damit verbundene Zeitersparnis. Leider fällt die angestrebte Zeitersparnis meist recht marginal aus. Schon die Rückkehr zu früheren Formen der Aufgabenstellung ohne umfangreiche Texte voller Distraktoren würde meistens zu einem deutlich höheren Zeitgewinn führen.

Um den Aufgabenpool mit Blick auf digitale Werkzeuge deutlich zu erweitern, müsste man das Feld der Mathematik um Themen bereichern, die bisher nicht zum Schulstoff gehören. Man denke zum Beispiel an elementare Zahlentheorie, die sich inzwischen allerdings leider auf dem Rückzug befindet. Eine derartige Erweiterung mathematischer Themen in Stoffplänen wurde indessen vollzogen, indem die Stochastik in der Schulmathematik zu einem der großen Themen neben der Analysis und der Analytischen Geometrie erhoben wurde.

Ein bisher unerwähntes Hilfsmittel modernen Mathematikunterrichtes ist die dynamische Geometrie-Software (DGS). Gerade in Zusammenhang mit dem Erlebnis mathematischen Wissensgewinns bietet der Einsatz von DGS ein großes Feld, auf welchem SuS selbständige mathematische Entdeckungen machen können. Mittels DGS kann erlebbar gemacht werden, wie mathematisches Wissen gewonnen wird. Die selbständige Entdeckung liefert nicht selten die anschließend erforderliche Beweisidee gleich mit. Die Einführung digitaler Werkzeuge in den schulischen Mathematikunterricht bietet die Chance zu einem Lernen durch Verstehen und zu einem Wissensgewinn durch Entdecken.
     

geschlossen: Wissensartikel
von mathelounge
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20% der Viertklässler erfüllen die Mindeststandards im Lesen nicht mehr. Sie könnten sich nach erfolgreicher Digitalisierung die Texte vom Computer vorlesen lassen.

50% der Studienanfänger mathematiknaher Fächer können keine Bruchrechnung mehr. Dann sollen sie doch CAS benutzen. Warum legen Hochschulen noch Wert auf die Beherrschung der Bruchrechnung?

Warum legen Hochschulen noch Wert auf die Beherrschung der Bruchrechnung?

Wer keine Bruchrechnung kann, kann auch keine Terme umformen, die Brüche enthalten. Wenn man dann noch Schwierigkeiten bei der Priorisierung von Operatoren hat (das erleben wir hier ständig), dann kann man den meisten formalen Herleitungen nicht mehr folgen, geschweige denn sie selber nachvollziehen.

Man kann also auch nicht mehr nachprüfen, ob ein CAS korrekte oder wenigstens sinnvolle Ergebnisse liefert. Ich hatte einen Nachhilfeschüler, der bedenkenlos ein Ergebnis des TR von \(5750\) nach der Multiplikation von \(17\cdot 23\) übernommen hätte. Er hatte eben übersehen, dass das Ergebnis der vorherigen Rechnung noch enthalten war.

Mit einem CAS sind noch ganz andere Dinge denkbar. Umso leistungsfähiger der Digitale Rechenknecht, desto eher 'glaubt' man ihm (Stichwort ChatGPT). Es ist mir zu Studienzeiten auch selbst passiert, dass ich versucht habe, mir ein abstruses Ergebnis einer FEM-Rechnung schön zu argumentieren.

Selber denken macht bekanntlich schlau. Und die Anwendung der Grundregeln der Algebra sind ein Handwerk und das ist erlernbar.

Passt prima zum Thema: Zitat aus dem Video:

digitale Werkzeuge nutzen nur demjenigen, der in der Lage ist, die richtigen Fragen zu stellen.

Und (ich füge hinzu) die Antworten auch zu verstehen, bzw. auf Sinnhaftigkeit überprüfen zu können!


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