Hier die Einleitung eines Buches mit dem Titel 'Schulmathematik - Wie sie ist und wie sie sein könnte'.
Einleitung
Während Wilhelm von Humboldt (1767 – 1835) unter „Bildung“ die Entfaltung der persönlichen Fähigkeiten und Talente verstand, legt die heutige Bildungspolitik weniger auf die Fähigkeiten des Menschen an sich Wert als auf spezifische, überprüfbare Leistungen, die nach einem bestimmten Standard festgelegt werden. Der Fokus wird an dieser Stelle also auf die Erfüllung gesellschaftlicher Anforderungen gelegt, anstatt den Menschen so zu bilden, wie es Humboldts Ideal entspricht. Einige Bildungskritiker finden, dass unter den Prinzipien heutiger Bildungspolitik das Individuum nicht zu seiner persönlichen Entfaltung kommen könne, da es sich der Gesellschaft bzw. der Ökonomie einfügen und unterwerfen müsse. [1]
Die hier vorgelegte Arbeit geht davon aus, dass sich die Prinzipen der Bildungspolitik gerade in Bezug auf den Mathematikunterricht in jüngerer Zeit sehr gewandelt haben. In den Jahren vor dem Einzug digitaler Werkzeuge und vor dem Paradigmenwechsel von der Vermittlung mathematischer Inhalte zur Vermittlung von mathematischen Kompetenzen ging es in der Schulmathematik über weite Strecken um die Einübungen von Verfahren, die heute das digitale Werkzeug übernimmt. Naheliegenderweise wurde im Zuge der Einführung verbesserter und erschwinglicher digitaler Werkzeuge dem Kalkül im Mathematikunterricht eine neue Rolle zugewiesen. Hier soll nun unter anderem der Frage nachgegangen werden, wie weit sich diese neue Rollenzuweisung an der Bedeutung des verständigen Lernens von Mathematik orientiert.
Schon an dieser Stelle sei betont, dass die neuen Werkzeuge den Mathematikunterricht von Ballast befreien. Zu wenig wird darüber hinaus der Beitrag in den Blick genommen, den elektronische Rechner im Rahmen der Vermittlung mathematischer Inhalte und Begriffe leisten können. Im Bemühen, diesen Beitrag zu identifizieren und zu beschreiben wird zunächst versucht, die Frage zu klären: „Was ist Mathematik?“ Nur auf dieser Basis lässt sich dann die Frage beantworten: „Was ist dann Mathematikunterricht?“ Und erst auf der Grundlage einer Antwort auf die letzte Frage kann etwas über den Beitrag digitaler Werkzeuge zur mathematischen Begriffsbildung gesagt werden.
Die vorgelegte Arbeit richtet sich in erster Linie an angehende und aktive Mathematiklehrer*innen, die ihrem beruflichen Wirken eine Grundlage geben möchten und dem Zeitgeist dabei kritisch gegenüberstehen. Darüber hinaus wird die Hoffnung ausgesprochen, dass auch Bildungspolitiker*innen und Beamt*innen in Bildungsministerien zu den Leser*innen dieser Arbeit zählen.
Im Anhang werden Aufgaben vorgeschlagen, bei deren Lösung der Einsatz eines digitalen Werkzeuges sinnvoll erscheint. Auch wenn damit das Thema der Arbeit recht gut illustriert wird, kann dieser Aufgabenteil auch ungelesen bleiben, ohne das Verständnis der Gesamtaussage zu beeinträchtigen.
Das Buch kann kostenfrei über florola44(at)gmail(dot)com bestellt werden.