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Als ein Beispiel, stellt euch einen Analysis-Kurs (Bachelor) vor, wo die Studenten ein "Forschungsprojekt" durchzuführen haben. Außerdem sollen sie ein Dokument über ihre Arbeit verfassen. Dies ist für viele eine neue Herausforderung. Meist wird die Kreativität durch ungeschickte Schreibweise, Gedanken etc. minimiert. Die meisten von ihnen können ihre Gedanken und ihre Arbeitsweise nicht ordnen.

Kennt ihr wirksame Möglichkeiten, wie wir solchen Studenten beim Schreiben und Präsentieren eines  Projektes helfen können? In der Regel sind es ja Möglichkeiten wie kurze individuelle Treffen mit jedem Studenten und die Kontrolle von mehreren aufeinanderfolgenden Entwürfen der Ausarbeitung. Doch glaube ich, dass das nicht genug ist, um gute und überzeugende Präsentationen mit eigenen mathematischen Gedanken zu fördern.

Ich interessiere mich für eure persönlichen Erfahrungen (gute und schlechte), aber auch eventuele Forschungen zu diesem Thema.

Ich möchte jedoch nicht, dass die Studenten "mathematisch klingend" schreiben, also nicht für eine Fachzeitschrift oder dergleichen. Ich will nur, dass sie lernen, wie sie ihre Ideen richtig struktuieren, notieren und mit anderen teilen.

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Strukturieren, notieren und mit anderen teilen.

Das ist doch einer der Dinge,  die man sich  im Laufe des Studiums durch die ganzen Aufgaben bewiesen etc von alleine aneignet oder nicht? So etwas braucht seine Zeit.

Ein Anfang, wie das am Gymnasium geschehen könnte, ist hier beschrieben:

http://www.amazon.de/Sprache-Mathematik-Schule-eigenen-Fachkompetenz/dp/3780020149/ref=sr_1_8?s=books&ie=UTF8&qid=1437239969&sr=1-8&keywords=peter+gallin

Könnte sein, dass eine Recherche auf dieser Grundlage Fachliteratur für andere Stufen finden lässt.

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Vor mehreren Jahren unterrichtete ich einen Kryptographie-Kurs, bei dem zusammenhängendes Schreiben erwartet wurde. Darunter waren Mathematik-Junioren, Senioren und auch Studenten aus technischen Bereichen. Die Hausarbeiten und Prüfungen handelten meist von Algorithmen, aber nicht mathematische Beweise, trotzdem wurde zumindest strukturiertes Verfassen von Texten erwartet. Das Auseinandersetzen mit den Studierenden war zeitaufwändig und frustrierend, aber schien die Mühe schließlich wert zu sein.

Ich habe zu Beginn "geprüfte Lösungen" verteilt, und zwar als Vorlage, welche Art von Schreiben erwünscht ist. Für jedes Projekt war eine Schreibarbeit abzuliefern, ohne Revisionen. Ich hatte ca. 100 Studenten in einem Kurs ... und am Ende des Kurses hatten sich die meisten Studenten einen vernünftigen Schreibstil angeeignet, klar und verständlich, nicht nur rein mathematisch klingend.

Es war wie gesagt eine ganze Menge mehr an Arbeit, als es bei "normalen" Mathematik-Kursen der Fall ist. Und meine Kollegen, die nun den Kurs unterrichten, sind zurück zu der klassischen Struktur, die den Studenten sich selbst überlässt.

Es ist in der Tat schwierig zu vermitteln, dass Mathematik in natürlicher Sprache eingebettet sein sollte. Für gewöhnlich ist ein Student durch 13 Schuljahre konditioniert, mit dem Ziel, eine Zahl als Lösung einer Aufgabe zu notieren, mit kurzem Rechenweg. Und daher ist es für die meisten eine enorme Herausforderung, ihre eigenen Arbeiten zu verfassen, richtig vorzustellen und zu kommunizieren.

Beim Kryptographie-Kurs war es oft der Fall, dass Studenten die Dinge berechnen konnten bzw. in Computer-Algorithmen verpacken konnten, jedoch unfähig waren, diese Gedankengänge auch als Text festzuhalten. Als simples Beispiel: Ein Student sollte erklären, weshalb die Primfaktoren von 15 = 5 • 3 sind. Er sagte, das sei offensichtlich. Aber er konnte nicht sagen, was er tun würde, wenn es sich um große Zahlen handelt, bei denen es offensichtlich nicht offensichtlich ist...

Im Großen und Ganzen scheint es von Vorteil zur Förderung von Studenten, sie aufzufordern zusammenfassend zu schreiben. Es beanspruchte aber viel meiner Zeit, dazu jedes Mal nützliches Feedback zu geben. Ich hoffe trotzdem, dass die Studenten durch die Mehrarbeit für die Zukunft gerüstet worden sind.
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Ich würde sagen, dass man Schreiben in einem Analysis-Kurs als Routine mathematischer Tätigkeit aufnehmen sollte, anstatt sie nur als Teil eines großen Forschungsprojektes zu forcieren. Die Integration von mathematischem Schreiben in den Alltag des Kurses könnte helfen, die Studenten zu überzeugen, dass das Schreiben ein wesentlicher Bestandteil mathematischer Tätigkeit ist.

Schon lange vertrete ich die Auffassung, dass eine der wichtigsten Fähigkeiten, die Bachelor-Studenten lernen können, die Fähigkeit ist, eine technische Idee klar und eindeutig zu erklären. Die meisten unserer Studenten werden nicht Integrale und Konvergenz in ihre beruflichen Zukunft berechnen, aber die meisten von ihnen werden wahrscheinlich etwas Technisches verständlich erklären müssen, und zwar ihren Kollegen, dem Vorgesetzten oder ihren Kunden. Eine Mathematik-Klasse ist dafür ein großartiger Ort, um zu lernen und zu üben.

Ich bestehe bei meinen Studenten darauf, dass sie ihre mathematischen Arbeiten, Tests und Prüfungen in Form einer mathematischen Erklärung einreichen, also schriftliche Essays mit ordnungsgemäßen, kompletten Sätzen und mit in Latex eingebetteten mathematischen Berechnungen oder Diagrammen, was auch immer die Erklärung visuell unterstützt. Viele Lehrbücher sind voll von Beispielen, wie man schreiben kann, insbesondere Lösungsbeispiele und Ausführungen.

Schwächere Studenten werden manchmal von meinen Anweisungen verwirrt, denn sie sind es gewöhnt, nur eine Reihe von mathematischen Ausdrücken zu notieren und solch eine Kurzform einzureichen. Ich versuche sie, von dieser schlechten Gewohnheit abzubringen. Andererseits kommt es auch gelegentlich vor, dass einige Studenten meine Anweisungen missverstehen und jeden einzelnen Schritt als Satz festhalten. Dies muss ich ebenso korrigieren und ihnen sagen, dass sie sich auf wertvolle Erklärungen konzentrieren sollen. Meist verstehen sie dann, worauf es ankommt.

Ich hoffe, diese Ausführungen helfen ein wenig weiter. :-)

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Gutes Schreiben benötigt einen entsprechenden Stil zusammen mit der richtigen Zielgruppe. Wenn wir unsere Studenten auffordern, Mathematik schriftlich zu beschreiben, findet man als typische Ergebnisse eine Reihe an Gleichungen und Erklärungen, die ein Minimum an Aufwand und Reflexion zeigen. Um eine bessere Arbeitsweise bei den Studenten zu fördern, sollten wir ihnen exakt sagen, was wir wollen. Zum Beispiel könnten wir ihnen vorab sagen, für welche Zielgruppe sie schreiben sollen.

- Schreiben Sie diese Arbeit als Erklärung für einen durchschnittlichen Studenten, der dieses Thema nächstes Jahr haben wird.
- Schreiben Sie dies als einen Zeitungsartikel und nehmen Sie an, dass ihre Leser nur sehr wenig Hintergrundwissen haben.
- Schreiben Sie dies im Stil Ihres Lehrbuches.
- Schreiben Sie dies im Stil eines formellen Antrags für eine Finanzierung eines wichtigen Projektes.

Die Entwicklung guter Schreibfähigkeiten erfordert viel Praxis über einen längeren Zeitraum verteilt. Wenn Sie die mathematischen Schreibfähigkeiten der Studenten wirklich ernsthaft verbessern wollen, dann sollten Sie von ihnen verlangen, Antworten mit ganzen Sätzen, korrekter Grammatik, Rechtschreibung und Zeichensetzung zu verfassen.

Die Studenten sollten ausdrücklich darauf hingewiesen werden, was erklärt werden muss und was nicht. Zu Beginn müssen viele Studenten darauf hingewiesen werden, nicht zu viel zu erklären, aber auch nicht zu wenig zu erklären. Beides kann unbeabsichtigt schlechte Ergebnisse hervorbringen.

Den Studenten muss immer wieder gesagt werden, dass erwartet wird, dass sie erklären, warum sie was tun. Das endgültige Ergebnis einer mathematischen Berechnung ist nur dazu gedacht, das Problem in einen Zusammenhang zu bringen. Alle mathematischen Operationen sind eindeutig zu erklären und umfassend zu begründen.

Das Erstellen von schriftlichen Aufgaben ist eine schwierige Aufgabe, genauso wie das Anleiten der Studenten während des Schreibprozesses. Gute Schreibarbeiten nehmen eine Menge Zeit in Anspruch. Ich schlage vor, Sie nehmen sich zusätzliche Zeit für Studenten, um ihre Arbeit in kleinen Gruppen auszutauschen und sich gegenseitig Feedback zu dem Geschriebenen zu geben. Ein weiterer Trick ist, Beispiele für gute und schlechte schriftliche Ausarbeitungen gemeinsam zu besprechen, so können die Stärken und Schwächen der Arbeiten diskutiert werden (die jeweilige Arbeit sollte anonym gezeigt werden). Anhand von Beispielen können Studenten schnell erkennen, wo Fehler liegen. So bietet sich auch die Möglichkeit, offen über Probleme zu diskutieren. Auch könnte man den Erstentwurf dem endgültigen Exemplar gegenüberstellen mit den Kommentaren anderer Studenten.

Sie sollten sich genau überlegen, wie Sie Ihre Studenten hier insgesamt anleiten bzw. verwalten (z. B. den Zeitplan und die Anreize, um Termine einzuhalten).

Zu erwähnen sei noch, dass moderne Technik helfen kann. Zum Beispiel wäre es angebracht, die Studenten Papiere online mit Mathjax oder allgemein in LaTeX schreiben zu lassen und diese Dokumente dann mit Ihnen über eine Cloud zu teilen.

Soweit meine Gedanken.

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