Die bedingte Wahrscheinlichkeit ist allgemeiner anwendbar als die Baumstruktur. Wenn du eine Baumstruktur zeichnest, dann sind die Einträge in der Tat bedingte Wahrscheinlichkeiten. Aber das kann man nur machen, wenn du die Baumstruktur "abwärts" entlang gehst, also sozusagen vom "Stamm" zu den Verästelungen.
Mit der bedingten Wahrscheinlichkeit und genügend gegebenen Wahrscheinlichkeiten kannst du von jeder Position des Baumes aus jede andere Wahrscheinlichkeit errechnen. Zusammen mit dem Satz von Bayes, mit dem man die bedingte Wahrscheinlichkeit sozusagen "umkehren" kann, zumindest.
Aber die praxisbezogenste Antwort ist wahrscheinlich: Du kannst dir vielleicht in den Schulaufgaben eine nette Baumstruktur hinzeichnen und dann den Ästen folgen, aber in der Realität hast du dafür meistens nicht genug Wahrscheinlichkeiten explizit gegeben oder der Baum wäre so groß, dass das Hinzeichnen ewig dauern würde.
Eine der Beispielaufgaben während meines Studiums:
Eine Polizeizentrale nimmt Anrufe von den Revieren A, B und C entgegen. Die Zentrale bekommt im Durchschnitt pro Tag vom Revier A dreimal so viele und vom Revier B viermal so viele Anrufe weitergeleitet wie vom Revier C. In der Regel wird von C in einem von 10 000, von A in einem von 5 000 und von B in einem von 4 000 Anrufen ein Mord gemeldet. Mit welcher Wahrscheinlichkeit wird ein Mord aus A gemeldet?
Mit dem Satz von Bayes, den man meistens bald nach der Einführung der bedingten Wahrscheinlichkeit auch einführt, kann man das recht schnell berechnen. Mit einer Baumstruktur könnte es auch gehen, aber ist wahrscheinlich viel aufwändiger, wenn man mal etwas Übung mit der Anwendung des Satzes und der bed. Wahrscheinlichkeit hat.