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Wahrheit
Die deutsche Sprache beschreibt, dass wir für ‚wahr‘ halten (oder nehmen), was wir wahrnehmen. Damit ist Wahrheit an ein subjektives Erlebnis gebunden. Ganz anders verhält es sich in der Mathematik; sie macht Aussagen der Art: Wenn die Voraussetzungen und die Logik meines Denkens wahr sind, dann ist auch das Ergebnis meines Denkens wahr. Voraussetzungen und Logik des Denkens sind dabei axiomatisch formuliert und von den Axiomen wird gefordert, dass sie widerspruchsfrei und als System vollständig sind. Die Mathematik kennt keine absoluten Wahrheiten, sondern macht genau genommen nur Wenn-Dann-Aussagen der dargestellten Art. Eine Aussage gilt in der Mathematik als wahr, wenn sie selbst ein Axiom ist, einen Begriff beschreibt (Definition) oder bei fehlerfreier Anwendung der Axiome und bereits als wahr eingestufter Aussagen gefunden werden kann (Satz).

Sprachliche Gebilde, für die entscheidbar ist, ob sie wahr oder falsch sind, nennt die Mathematik ‚Aussagen‘. Ein Beispiel: „1, 8, 27, 64 sind die vier kleinsten Kubikzahlen.“ Um zu entscheiden, ob diese Aussage wahr oder falsch ist, muss insbesondere der Begriff der Kubikzahl geklärt sein. Der Satz: „Eine Kubikzahl ist das Ergebnis der Multiplikation n·n·n für eine natürliche Zahl n.“ gilt als wahre Aussage, da er einen Begriff (Kubikzahl) definiert.

Wissensarten
Wenn es nicht um sensomotorisches Wissen geht (wie eben beim Betreiben von Mathematik), werden in der Literatur drei Wissensarten unterschieden:
    - deklaratives Wissen,
    - prozedurales Wissen,
    - situatives Wissen.
Die Überprüfung des Wahrheitsgehaltes einer mathematischen Aussage erfordert den Rückgriff auf Wissen. Es soll untersucht werden, wie weit dieses Wissen den genannten Arten angehört. Der Wahrheitsgehalt der Aussage „1, 8, 27, 64 sind die vier kleinsten Kubikzahlen.“ kann auf drei verschiedene Arten feststellt werden: Durch die Prozedur des wiederholten Multiplizierens 1·1·1, 2·2·2 und so weiter (Rückgriff auf prozedurales Wissen), durch Wiedererkennen bereits bekannter Kubikzahlen (Rückgriff auf deklaratives Wissen) oder (kaum dagegen abgrenzbar) durch Wissen aus Erfahrung (Rückgriff auf situatives Wissen). Die Unterscheidung der beiden zuletzt genannten Wissensarten macht mindestens im Zusammenhang des Beispiels wenig Sinn. Deklaratives Wissen ist in diesem Zusammenhang bestenfalls das Wissen der Definition der Kubikzahlen.

Welches Wissen ist für die Lösung der folgenden Aufgabe erforderlich?
Gegeben sind die drei Abstände eines Punktes im Inneren eines gleichseitigen Dreiecks von den Ecken. Konstruiere das gleichseitige Dreieck.
Im günstigsten Falle hat man eine entsprechende Aufgabe bereits gelöst  und greift auf dieses Wissen zurück. Auch hier sind deklaratives Wissen und situatives Wissen kaum gegeneinander abgrenzbar. Um prozedurales Wissen einsetzen zu können, müssen Prinzipien und Verfahren der Heuristik bekannt sein.  Außerdem wird hier ein Zusammenhang zwischen prozeduralem und verstandenem Wissen erkennbar. Prozedurales Wissen ist in vielen Fällen geradezu zwangsläufig verstandenes Wissen.

Eine Unterscheidung in deklaratives und situatives Wissen erscheint entbehrlich, so lange es nicht um das Wissen von Definitionen und Schreibweisen geht. Und selbst Definitionen werden nicht als deklaratives Wissen gespeichert sondern als „implizites Wissen“. Meistens muss man den expliziten Wortlaut eine Definition gar nicht kennen. Es genügt, wenn man geeignete Beispiele (und Gegenbeispiele) des definierten Begriffes kennt. Die Bedeutung des Begriffes wird dann aus dieser Kenntnis heraus verallgemeinert und so für weitergehende Gedanken im Zusammenhang des Begriffes nutzbar.

Im Zusammenhang mit „Mathematik lernen“ gibt es demnach drei Arten von Wissen:
   - auswendiges oder durch Üben erworbenes Wissen.
Dem Üben kommt im mathematischen Wissenserwerb eine sehr wichtige Rolle zu. Auswendig lernen kann                       das  Einbringen von Wissen in Problemlösungen erleichtern, darf aber nicht ausschließliches Verfahren des Wissenserwerbs sein.

   - Verstandenes oder selbständig erschlossenes Wissen.
Das Erlebnis mathematischen Wissensgewinns kann nur über das Einbringen verstandenen Wissens erfahren werden. Das selbständige Erschließen von Wissen kann überwiegend nur auf der Basis verstandenen Wissens gelingen.

   - abstrahiertes oder implizites Wissen.
Die meisten mathematischen Begriffe sind das Ergebnis der intellektuellen Leistung der Abstraktion. Weder die Wirklichkeit noch ihr Betrachter kennen Begriffe explizit, sondern Beispiele und Gegenbeispiele.

Fazit: Der für das Mathematiktreiben so wichtige Wissenserwerb wird durch diese soeben beschriebenen Wissensarten zutreffender charakterisiert,  als durch die eingangs genannte Klassifizierung der Wissensarten (deklaratives Wissen, prozedurales Wissen, situatives Wissen).

geschlossen: Wissensartikel
von Roland
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