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Ein Hochschullehrer des Faches Medieninformatik prüfte, ob seine Studienanfänger wohl der Vorlesung zur ‚Mathematik der Medieninformatik‘ würden folgen können. Er bat seine Student*innen den Term (2a-b)2-4a∙(a-b) ohne Einsatz von Computer-Algebra zu vereinfachen. Das Ergebnis enttäuschte ihn sehr: Nur ein Drittel der Getesteten beantwortete die Frage mit dem richtigen Ergebnis. Wenn der Hochschullehrer daraufhin öffentlich infrage gestellt hätte, dass der Mathematikunterricht im Gymnasium zur Studierfähigkeit führe, hätte er einige Reaktionen erhalten. (Er hat sich in weiser Voraussicht auf die Veröffentlichung auf seiner Homepage beschränkt.)


Von der OECD erhielte er die Antwort, es sei ein fundamentales Missverständnis, dass die Schule die Schüler studierfähig abzuliefern habe. Das verwundert angesichts des Zieles der OECD darauf zu achten, ob europäische Schulsysteme die Schüler*innen angemessen auf die Herausforderungen moderner Gesellschaften vorbereiten. Offensichtlich bedeutet ‚allgemeine Hochschulreife‘ bezogen auf mathematische Fähigkeiten und Fertigkeiten nur noch, in der Lage zu sein, ein Computer-Algebra-System einsetzen zu können.

Denkbar wäre auch die Reaktion: ‚Das (gemeint: ein Drittel richtige Antworten) ist schon immer so gewesen und kein Ergebnis moderner Formen des Mathematikunterrichtes.‘ Dieser Einwand ist unwiderlegbar, weil eine Dokumentation zu den Leistungen früherer Schülergenerationen bezogen auf derartige Aufgaben nicht existiert. Um zu prüfen, wie Schüler*innen diese Aufgabe hilfsmittelfrei bewältigen, müsste man auf Länder ausweichen, in denen der Einsatz digitaler Werkzeuge in schulischen Tests nicht zugelassen ist. Und selbst, wenn das geschehe, würde die Vergleichbarkeit mit deutschen Ergebnissen in Zweifel gezogen.

Wenn diese Sicht auf das Lehren und Lernen von Mathematik in deutschen Schulen sich durchsetzt, wird bald fast niemand mehr Mathematik verstehen. Digitale Werkzeuge können das Verstehen zwar unterstützen aber nicht erzeugen. Jahrtausende lang wurde Mathematik ohne digitale Werkzeuge betrieben – und zwar mit grandiosen Ergebnissen. Einige dieser Ergebnisse wurden gerade deshalb gefunden, weil ein Rechenautomat nicht zur Verfügung stand und man einen kürzeren Weg zur Lösung suchte. Die Summe einer arithmetischen oder einer geometrischen Reihe oder auch die Summe einer Folge von Potenzen wird ja nicht dadurch einfacher bestimmt, dass man Summand für Summand in einen Rechner eingibt. Eine große Zahl von Aufgaben gleicher Form löst man besser nicht Aufgabe für Aufgabe, sondern durch Vereinfachung der Form.

In der sechsten Klasse kann man den Kindern diese Aufgaben zur Einübung des Bruchrechnens geben:
(2∙2/3-1/4)2-4∙2/3∙(2/3-1/4)
(2∙3/4-2/3)2-4∙3/4∙(3/4-2/3) 
(2∙1/3-3/4)2-4∙1/3∙(1/3-3/4) 
(2∙1/5-2/3)2-4∙1/5∙(1/5-2/3)
(2∙4/5-1/2)2-4∙4/5∙(4/5-1/2)
Schüler*innen der Mittelstufe sollten indessen zuerst ein Muster erkennen und nicht sofort ein digitales Werkzeug einsetzen. Die Einführung von Integral und Ableitung in der Oberstufe gelingt nicht mit Einsatz digitaler Werkzeuge, sondern im Rückgriff auf Kenntnisse der Termumformung und Vereinfachung bei der Summenbildung. Man kann natürlich dazu übergehen, Integrale und Ableitungen nur noch mit digitalen Werkzeugen zu bestimmen (was tatsächlich weithin geschieht) aber ein Verständnis für die Begriffe Ableitung und Integral wird auf diese Weise nicht gewonnen.

geschlossen: Wissensartikel
von Roland
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