Ralf Caspary aus der SWR-Wissenschaftsredaktion schreibt:
Die digitalen Medien sind so gut oder schlecht, wie die Pädagogen, die sie einsetzen. Wie oft muss man das wiederholen? Der gute Pädagoge wird seine Schüler und Schülerinnen bestimmt nicht in der ersten Klasse vier Stunden vor das Laptop setzen - das wäre in der Tat gesundheitsschädlich und Gift fürs Gehirn. Der gute Pädagoge wird auch kaum den Kindern sagen: Ihr braucht nicht mehr rechnen lernen, das macht der Computer für Euch. Der gute Pädagoge wird die digitalen Medien moderat und ergänzend einsetzen, und dann gibt es viele Vorteile, die durch Studien belegt sind.
Jedes Wort Casparys trifft den Nagel auf den Kopf. Da aber nicht alle am Bildungsprozess Beteiligte gute Pädagogen sind, wären Anleitungen zum Einsatz digitaler Medien nach Fächern differenziert außerordentlich nützlich. Im Fach Mathematik existiert bis heute kein wissenschaftlich begründetes, praktisch erprobtes Konzept für den Einsatz digitaler Werkzeuge.
Das Fehlen dieses Konzept hat je nach Beteilung am Bildungsprozess zu vielen Resultaten geführt:
Schüler*innen frohlocken. Einem hemmungslosen, unreflektierten Einsatz digitaler Endgeräte ist Tür und Tor geöffnet. Das Einschalten des digitalen Werkzeugs geschieht oft noch vor den Einschalten des Gehirns.
Unter Lehrer*innen reicht das Spektrum von denen, die einfach den Dingen ihren Lauf lassen bis zu denen, die sich zuerst über das Ziel und erst dann über den Einsatz von Mitteln Gedanken machen.
In der Wissenschaft reicht das Spektrum vom Didaktik-Professor, der digitale Rechner schon in der Grundschule einführen möchte bis zu dem Neurowissenschaftler der alles Digitale als Teufelszeug verbannen möchte.
In behördlichen Verfügungen findet man sowohl beschämende Ratschläge zum Einsatzes digitaler Werkzeuge als auch das Bemühen, durch verbindliche Vorschriften mit der digitalen Entwicklung schritthalten zu wollen. Vielleicht wird auch noch ChatGPT verbindlich – natürlich wieder ohne Konzept.
Die Politiker hören lieber auf den Rat der Wirtschaft, die sich wenigstens einig ist (gut ist, was Profit abwirft) als auf den Rat einer Wissenschaft, die ein ‚Feld der Unordnung‘ und ein ‚Meer konkurrierender Theorien‘ anbietet.
Von einem Bestreben der Bildungsbehörden oder der Bildungspolitik, Ordnung in dieses Feld der Unordnung zu bringen, ist weit und breit nichts zu sehen.