Hier lass da mal Physiker ran so wie mich. Die ganzen Matematiker stellen ohnehin nur falsche Behauptungen auf. Wirst sehen; jener Unkenruf, dass
f_xy ( 0 ; 0 ) < > f_yx ( 0 ; 0 ) ( 1 )
stimmt gar nicht. So lange ( x | y ) nicht der Nullpunkt ist, sind beide Ableitungen sowieso gleich. Irgendwo sollte einen das doch misstauisch stimmen; wieso sind sie denn auf einmal im Ursprung verschieden?
Dieser Nenner wird auch gar nicht singulär; was hier schief geht, merkst du, wenn du wie ein gestandener Physiker eine Koordinatentransformation zulässt. Wir machen das jetzt mit Polarkoordinaten
x =: r cos ( ß ) ( 2a )
y =: r sin ( ß ) ( 2b )
f ( x ; y ) = x y ( x ² - y ² ) / ( x ² + y ² ) ( 3a )
f ( r ; ß ) = r ² sin ( ß ) cos ( ß ) [ cos ² ( ß ) - sin ² ( ß ) ] ( 3b )
Dieser ganze Wirrwarr lichtet sich; tatsächlich separiert die Funktion ganz manierlich in ein Produkt aus einem r-Polynom und einem Polynom in Sinus/Kosinus:
f ( r ; ß ) = P ( r ) Q [ sin ( ß ) ; cos ( ß ) ] ( 4a )
( 3b ) habe ich absichtlich so ausführlich geschrieben, weil nicht jeder die ===> Additionsteoreme ( AT ) drauf hat. Du musst einmal das Sinus-und einmal das Kosinusteorem anwenden
f ( r ; ß ) = 1/2 r ² sin ( 2 ß ) cos ( 2 ß ) ( 4b )
und noch einmal das Sinusteorem
f ( r ; ß ) = 1/4 r ² sin ( 4 ß ) ( 4c )
Auf einmal wirkt das direkt anschaulich. Wenn du den Ursprung auf einem Kreis umkreisest, hast du eine Welle der Periode Pi/2 ; ein Umlauf entspricht demnach vier Perioden. Und folgst du einem Strahl, geht der Betrag mit r ² ; die funktion geht im Nullpunkt stetig gegen Null.
Der Unterschied zwischen euch Matematikern und uns Physikern ist immer, dass ihr den Wald vor lauter Bäumen nicht seht. Die ganzen Ableitungen zu bilden, erfordert ein technisches Geschick, das selbst gestandene Profs überfordert - wirst sehen. Insofern befindest du dich da in bester Gesellschaft.
Aber ich apelliere jetzt an deine Intuition. WAS geht schief, wenn du ( 4c ) zwei Mal ableitest ( ??? !!! )
Wir hatten einen Mathelehrer; Herrn Simon. Der war ===> gefühlsblind ===> Amygdala ; Antonio und Margarete ===> Damasio. Längst ist die Utopie von ===> Mr. Spock widerlegt. Ohne Intuition kannst du kein guter Matematiker sein; bei diesem Beispiel wird sich das ja erweisen.
Du hast jetzt Zeit, deine innere Stimme zu befragen, während ich hier meine Teorien entwickle.
Zunächst mal zahlen wir einen verdammt hohen Preis. ( Aber ich zahle ihn gerne; die Quotientenregel ist absolut tödlich. Ihr müsst sie meiden wie die Pest. )
Mit der Polardarstellung ( 4c ) werden wir nicht so recht glücklich, weil wir ja Ableitungen nach x und y bilden müssen; wende die Kettenregel an
f_x ( r ; ß ) = 1/2 r ( dr / dx ) sin ( 4 ß ) + r ² ( dß / dx ) cos ( 4 ß ) ( 5 )
Was wir suchen, sind genau die Elemente der Transformationsmatrix. Nach irgendsom ostischen Typ is die benannt; ich glaub Wronsky. War das jetzt dran in der Vorlesung? Physiker kommen damit eher früh in Berührung; Matematiker eher spät. Schau mal im Courant-Hilbert Bd. 2; da ist das drin. Was du auch mit ( 2ab ) sofort hinschreiben kannst, ist die Richtung
d ( x ; y )
A := ------------------------ = ( 6a )
d ( r ; ß )
cos( ß ) - r sin( ß )
sin( ß ) r cos( ß )
Wir benötigen aber in ( 5 ) die Inverse.
d ( r ; ß )
A ^ -1 = ---------------------------- ( 6b )
d ( x ; y )
Da gibt es jetzt drei Verfahren, was man tun könnte - ich will sie nacheinander vorstellen. Das erste Verfahren ist ganz heuristisch. Ich sage z.B.
r = sqr ( x ² + y ² ) ( 7a )
( dr / dx ) = x / r = cos ( ß ) ( 7b )
( dr / dy ) = sin ( ß ) ( 7c )
Diese Vorgehensweise krankt daran, dass ich nicht nur ableite, sondern ich muss die Ergebnisse hinterher noch geschickt interpretieren. Bei ß wird dies besonders deutlich:
y = r sin ( ß ) ( 2b )
Ich leite ab nach x
( dr / dx ) sin ( ß ) + r ( dß / dx ) cos ( ß ) = 0 ( 8a )
( 7b ) einsetzen
sin ( ß ) + r ( dß / dx ) = 0 ===> ( dß / dx ) = - ( 1 / r ) sin ( ß ) ( 8b )
Analog
( dß / dy ) = ( 1 / r ) cos ( ß ) ( 8c )
Die älteren Bücher wie Courant haben ja noch den Vorteil, dass sie ganz Praxis nah an den Bedürfnissen des Studenten orientiert sind; die tun jetzt nicht so auf jeder Seite mit € um sich schmeißen. Courant gibt sich redlich Mühe, die Matrix A ^ -1 in mehreren LGS aufzulösen; seine kumpelhafte Herangehensweise hat mich inspiriert. Das ist Metode Nr. 2 .
Aber ich wollte den Durchbruch in Form einer einzigen Matrixgleichung - und er gelang mir noch vor dem Vordiplom. Geh mal aus von der Aussage
A A ^ -1 = 1 | ( A+ ) * ( 9a )
Anmerkung. Bei der Umformung bedeutet " Stern Rechts " immer " Matrizenmultiplikation von Links "
( A+ ) ist der zu A ===> Hermitesch konjugierte Operator ( Zeilen und Spalten vertauscht ) Mit Definition ( 9b ) führt das auf
H := ( A+ ) A ( 9b )
H A ^ -1 = ( A+ ) | H ^ -1 * ( 9c )
A ^ -1 = H ^ -1 ( A+ ) ( 9d )
Jetzt wirst du mich fragen; was will ich mit diesem H ? Genau das ist nämlich das Geheimnis; das konnte niemand vorher wissen. Wenn du H berechnest, musst du in der Matrix ( 6a ) " Spalte mal Spalte " multiplizieren. Dann nimmt H überraschend die Form an
H = diag ( 1 ; r ² ) ( 9e )
Und die Inverse einer Diagonalmatrix können wir trivial ( Dieses Rezept funktioniert übrigens auch bei Kugelkoordinaten. )