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Die natürlichen Zahlen scheinen eine Entdeckung zu sein (daher "natürliche"), die Null und die negativen ganzen Zahlen Erfindungen, weil sie in der Natur nicht vorkommen.

Die Kreiszahl π wiederum sieht nach einer Entdeckung aus, die imaginären Zahlen nach einer Erfindung.

Aber sicher bin mir nicht.

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Eine wirklich klasse Frage. Aus meinen Augen die beste des Monats!

Danke, das nenne ich Anfängerglück. Bin erst seit zwei Tagen dabei :-)

Die von dir aufgezählten Beispiele und ihre Einteilung sind dennoch willkürlich: Versuch doch mal, die Natur ohne negative Zahlen, die Null oder komplexe Zahlen zu beschreiben.

Die Dichtkunst ist voll von vortrefflichen Beschreibungen der Natur ganz ohne mathematische Finessen. Meine Beispiele sind so "willkürlich", weil ich mir wirklich nicht sicher bin, ob die Mathematik anders als erfnderisch ist, also etwas anderes als eine reine Geisteswissenschaft.

Du weißt, denke ich, dass mit "Beschreiben" hier "die grundlegenden Gesetzmäßigkeiten offenlegen" im Sinne der Naturwissenschaften gemeint ist.

Dann ist es unmissverständlicher und genauer, von Begründen zu sprechen, wenn schon etwas Grundlegendes offengelegt werden soll. Oder von Erklären, wenn Wirkungen auf Ursachen zurückgeführt werden.

Aber es geht ja sowieso nicht ums Beschreiben oder Begründen/Erklären, sondern ums Erfinden oder Entdecken, und zwar speziell in der Mathematik und nicht in den Naturwissenschaften.

"Dann ist es unmissverständlicher und genauer, von Begründen zu sprechen," Nein, Beschreiben ist schon das richtige Wort, denn das ist es, was Naturwissenschaft macht.


"Erfinden oder Entdecken, und zwar speziell in der Mathematik und nicht in den Naturwissenschaften."

Wenn sich zeigt, dass unsere Welt nur mithilfe bestimmter Mittel, wie z.B. komplexer Zahlen, unendlichdimensionaler Räume etc., beschrieben werden kann, dann sind diese "Mitel" wohl inhärenter Bestandteil unserer Welt. Als solche können wir sie entdecken und Zusammenhänge mit anderen Strukturen innerhalb der Mathematik offen legen.

"Wenn sich zeigt, dass unsere Welt nur mithilfe bestimmter Mittel, wie z.B. komplexer Zahlen, unendlichdimensionaler Räume etc., beschrieben werden kann,"

Als kleine Ergänzung: Meiner Meinung nach ist das übrigens ein hindreichendes, aber kein notwendiges Kriterium ;)

3 Antworten

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Beste Antwort

wenn "Entdecker" für Dich heißt, man hat etwas Vorhandenes benutzt und als "Erfinder" etwas Neues daraus gemacht, dann sind Mathematiker nur Erfinder.

Die Frage kannst Du allgemeiner stellen:

Ist etwas, was man hat, Ursache oder Wirkung? Also, ich habe T. Aus T folgt U, aus U folgt V, etc. Vorwärts ist das kein Problem.

Die Frage ergibt sich aber, ob T nicht selbst Wirkung von etwas ist, also ob es ein R gibt, mit aus R folgt T. Dann fragst Du, ob R nicht Wirkung eines Q ist, also aus Q folgt R, usw.

Was ist also der echte Anfang einer Kette von Folgerungen (Erfindungen). Gibt es ein A, welches Ursache für alle ist, und das nie als Wirkung von irgend etwas anderem erzeugt wurde? (Die Griechen bezeichneten dieses Ding in der Physik als Atom, aber heute weiß man, dass das auch nicht richtig ist.)

Wenn Du also den Ursprung aller Mathematik suchst, sind auch die natürlichen Zahlen eine Erfindung und keine Entdeckung, den letztendlich kannst Du mit einer einzigen Zahl alle weiteren Zahlen und Regeln ableiten, oder (geometrisch gesehen) mit einem einzigen Punkt die ganze Geometrie erklären und definieren.

Grüße,

M.B.

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Ich sehe in Entdeckern, z. B. Kolumbus, keine Benutzer, sondern Finder von Vorhandenem. Die Benutzer kommen erst anschließend zum Zug.

Der Unterschied bleibt aber: Finden ist nicht Erfinden.

Ist eine Definition eine Erfindung oder eine Entdeckung?

Ist ein Satz oder ein Theorem eine Entdeckung oder eine Erfindung?

Was sind Fragen? Was sind Thesen? Was sind Beweise? Was sind Darstellungen? Was sind Veröffentlichungen? 

(...)

Im Beispiel vom Satz des Pythagoras würde ich nicht von einer Erfindung sprechen sondern von einer Entdeckung.

Auch die Binomialverteilung selber wurde nicht erfunden sondern entdeckt.

"Was sind Fragen? Was sind Thesen? Was sind Beweise? Was sind Darstellungen? Was sind Veröffentlichungen?" (Gast az0815)

Die Antworten auf diese Was-Fragen findet man in einem Bedeutungswörterbuch.

Ich verstehe nicht, was diese Aufzählung soll.

Haben die von mir beispielhaft aber nicht abschließend aufgeführten, typischen Tätigkeiten von Mathematikern jeweils eher den Charakter von "entdecken" oder "erfinden"? Einen "Satz" etwa würde ich eher als "Entdeckung" einordnen, während eine Definition für mich eher unter "Erfindung" fällt.

Einen Algorithmus, also ein Rechenverfahren, kann man bei Vorliegen geeigneter Voraussetzungen, sogar zum Patent anmelden.

Man kann sich bestimmt sowohl als Erfinder als auch als Entdecker von etwas rechtlich schützen lassen.

Meine Vermutung ist inzwischen, wenn ich hier die verschiedenen Mathematiker-Antworten Revue passieren lasse, dass es in der Mathematik gar keinen Unterschied zwischen Erfindungen und Entdeckungen gibt. Das, was einer in der Mathematik entdeckt hat, hat er zugleich erfunden. Er hat es gewissermaßen in seinem Geist entdeckt, nicht in der Natur. Eine Erfindung wäre demnach eine Entdeckung im Geist, und wenn eine Wissenschaft nur aus Entdeckungen besteht, die zugleich Erfindungen sind, ist es eine Geisteswissenschaft. Das passt zu dem, was ich bei dem Gießener Mathematikprofessor Beutelspacher gelesen habe: "Mathematik ist eine Geisteswissenschaft, und zwar die radikalste!" 

"Meine Vermutung ist inzwischen, wenn ich hier die verschiedenen Mathematiker-Antworten Revue passieren lasse, dass es in der Mathematik gar keinen Unterschied zwischen Erfindungen und Entdeckungen gibt. Das, was einer in der Mathematik entdeckt hat, hat er zugleich erfunden."

Da täuschst du dich - wie ich bereits gesagt habe: auf einem anderen Planeten, auf dem es intelligentes Leben gibt, welches sich mit Mathematik beschäftigt, wir die Mathematik prinzipiell die selbe sein und sich nur im Entwicklungsstand von der unseren unterscheiden, nicht von ihren Aussagen. Das ist der Unterschied zu "Erfindungen".

"Auf einem anderen Planeten, auf dem es intelligentes Leben gibt", wird eben dank dieser Intelligenz die Mathematik "prinzipiell die selbe sein". Mathematik ist sozusagen Intelligenz, die sich mit sich selbst befasst und auf diese Weise Selbstentdeckungen macht, die man – von außen gesehen – auch Erfindungen zu nennen pflegt. So mache ich mir zum Beispiel die Position eines Albrecht Beutelspacher oder auch eines Karl Popper plausibel, nach denen sich die Mathematiker "alles ausdenken", zum Beispiel Kreise, die in dieser Vollkommenheit weder in der Natur noch in der Technik möglich sind, und viele andere "ideale" Strukturen.

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Nach meinem Verständnis werden Strukturen in der Mathematik entdeckt und benannt, nicht erfunden. Soll auch heißen: wenn Außerirdische kämen, ist anzunehmen, dass ihre Mathematik sich nicht prinzipiell von unserer unterscheidet.
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Heißt das auch, dass sie eher zu den Naturwissenschaften zählt als zu den Ingenieurwissenschaften? 

Weder noch (wobei ich zum ersten Mal höre, dass jemand die Mathematik zu den Ingenieurwissenschaften zählen will ;) ). Man bezeichnet sie als Strukturwissenschaft und sie unterscheidet sich mit ihren Zielen und Arbeitsweisen in der Regel deutlich von Naturwissenschaften, obschon es starke Ähnlichkeiten gibt und die Grenze zwischen Mathematik und theoretischer Physik zum Bespiel verfließen kann (Ed Witten hat z.B. keinen Nobelpreis, aber die Fields-Medaille).

Hallo Raskolnikow.

Das sehe ich im Prinzip genau so. Also die natürlichen Zahlen als Struktur wurden entdeckt, weil sie ja schon da waren.

Die Struktur es aufzuschreiben. Also z.B. das Dezimalsystem, das Binärsystem oder allgemein die Stellenwertsysteme, die Kerben auf Knochen, das Römische Zahlsystem oder auch das Zahlensystem der Ägypter wurde aber vermutlich nicht entdeckt sondern erfunden.

Wobei dort auch nicht ganz klar ist ob es jetzt frei erfunden wurde oder teilweise nur aus vorhandenem weiterentwickelt worden war.

Es wäre dann eine Frage ab welchem Schöpfungsgrad man von einer eigenständigen Erfindung sprechen würde.

Wieso waren "die natürlichen Zahlen schon da"?

Wo waren sie denn alle?

Die natürlichen Zahlen hängen z.B. an Apfelbäumen. Damit meine ich etwas was man zählen kann. In welcher Form auch immer. 

Wie gesagt einige haben gezählt indem sie Kerben in Knochen geritzt haben. Das war lange bevor es eine Menge der natürlichen Zahlen gab.

Nach Wikipedia ist das Zählen etwa 50000 Jahre alt. Wobei das nur überlieferungen belegen. Vielleicht ist das Zählen sogar noch älter. Zumindest das Erfassen von Mengen.

Trotzdem hängen nur Äpfel an Apfelbäumen, nicht ihre Zahlencodes. Und das Zählen der Äpfel ließ sich weder durch Pflücken noch anderweitig beschaffen. Man musste auf diese Idee kommen. Und eine lange Zeit soll man nur bis zwei zu zählen gekonnt haben: eins, zwei, viele. Bis ein findiger Erfinder auf die Idee kam, dass man irgendwie noch bestimmter weiterzählen kann und der Apfel nach dem zweiten nicht nur zu den vielen gehört. Es scheint mir doch einiges gegen ein mathematisches Entdecken zu sprechen.

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Das ist schon mal ganz gut darüber nachgedacht. Ein Mathemaiker hat einmalgesagt: "Die natürlichen Zahlen hat der liebe Gott gemacht, alles andere ist Menschenwerk". Demnach sind die natürlichen Zahlen entdeckt worden, weil sie schon als Teil der Schöpfung vorhanden waren. Alles andere aber wäre Erfindung. Das ist ein bisschen Geschmackssache, ob man sich dieser Auffassung anschließen möchte. Ich persönlich neige dazu, die positiven Brüche als bereits der Welt innewohnend zu sehen.

Avatar von 123 k 🚀

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