Sieh's doch so. Beweisen in der Matematik ist wie das Verfassen eines Aufsatzes oder das Schreiben eines Romans. Es gibt sogar Schreibschulen; wenn du dein Geld etwa verdienen willst mit dem Verfassen von Krimis oder Liebesromanen, dann zwingt dich der Heftchenverlag, bestimmte Regeln zu lernen. Was meinst du, warum z.B. die Fangemeinde von Karl May nie ausstirbt?
Im Rundfunk hörte ich schon Journalisten
" Wieso ist ===> Adalbert Stifter eigentlich berühmt? Eine Provinzgröße an der Grenze zum Psychopatologischen. "
" An ===> Jean Paul fällt mir auf, dass er sich konstant bemüht, alles so unspannend, so langatmig und unverständlich zu erzählen, wie es nur irgend geht. "
Ich meine solche Stilfragen spielen auch in einem matematischen Beweis eine Rolle. Gerade Matrizen verführen dazu, alles in endlose Summen aufzudröseln - so als wäre es das konkrete einzelne Matrixelement, welches etwas über die gesamte Matrix aussagt.
Z.B. ganz berüchtigt hierfür ist ja die ART , Einsteins allgemeine Relativitätsteorie. In ihrer Urform sind das nicht enden wollende Summen über " My , Ny , Kappa , Lambda " ; und manche Autoren bemühen sich dann, wenigstens dem aller größten Wildwuchs zu steuern.
Oder nimm die Hermitesche Konjugation. Nimm einmal den Kowalsky oder Greub zur Hand, jeder ein zweibändiges Werk über AGULA . Dort kriegst du ganz offiziell alles bewiesen, was du über das Skalarprodukt wissen musst. Und dann folgt eben der Existenz-und eindeutigkeitsbeweis für die Hermitesch Konjugierte.
Sieh's doch so. Hattet ihr schon Eigenwerte? Es hat doch keinen Sinn, vor diesem Kapitel die Augen zu verschließen; was nützt es dir, wenn symmetrische Matrizen schon dran waren und du weißt nicht mal, dass die selbstadjungiert sind, ihre Eigenwerte immer reell und sie sich diagonalisieren lassen auf einer ONB - bzw. warum das so ist?
Übrigens falls es dich intressiert - nach dem Vordiplom hatte ich mal einen Schnupperkurs genommen in ===> Darstellungsteorie ( DT ) Die Grundfrage der DT lautet:
" Welche ===> Gruppenhomomorphismen gibt es aus einer gegebenen Gruppe G in die GL ( n ; K ) bzw. GL ( n ; |C ) ? "
( Ein reines Orchideenfach fast ohne praktischen Nutzen. )
Als Erstes führen die - wie üblich in der Matematik - einen Äquivalenzbegriff ein, wann zwei Darstellungen als wesentlich verschieden gelten sollen - sonst hättest du nämlich unendlich viele.
Und da gibt es eben schnuckelige Strukturteoreme. Z.B. Wenn G eine endliche Gruppe ist, dann ist die Summe der Dimensionsquadrate der einzelnen Darstellungsräume immer gleich der Gruppenordnung ° G bzw. die Dimension einer Darstellung ist immer ein Teiler von ° G .
Warum erzähle ich das alles? Die DT ist uns nämlich in zwei Fassungen überliefert. Ihr Entdecker ist ===> Ernst Burnside ( 1890 ) Immerhin dreißig Jahre, bevor die moderne QM auf ihn aufmerksam wurde, wie die Physiker anerkennend bemerken.
Und dieser Burnside arbeitet gleich dir mit diesen endlosen My, Ny, Kappa, Lambda . Diese Lektüre fand ich der Maßen verwirrend - ich wäre nie im Stande gewesen, auch nur einen einzigen seiner Beweise zu rekapitulieren.
Und dann ging es um eine bestimmte Vollständigkeitsaussage. In einem der Texte schien mir die Beweisführung ein rechter Zaubertrick zu sein.
( Kennst du die ===> Amygdala? Das ist ein Ganglion im Stammhirn, das uns aus der Altsteinzeit verblieben ist und uns emotional warnt vor bedenklichen Situationen lange, bevor der bewusste Verstand es einsieht. )
Und meine Mygdala ist top fit. Nach der Mensa nahm ich mir das Buch nochmal vor. An sich war ich so geschafft - aller spätestens um 17 h wollte ich heim machen.
Ich blieb bis 20 h und machte mir Notizen. Bis ich die fehlerhafte Gleichung identifiziert hatte - der Autor war einem Zirkelschluss erlegen ( bzw. hatte ihn dem Leser untergejubelt. ) Also die zu beweisende Vollständigkeit wird ( implizit ) voraus gesetzt.
Ich verließ unsere Max-Born-Bücherei und schaute mal bei den Kollegen von der Matematik, was die so für Lehrstoff zu dem Tema anzubieten hatten.
Die Matematiker richten sich nach ===> Emmy Noether, der Mutter der modernen Algebra und Pädagogik. Die Dame hatte ein der Art überragendes Format, dass sie sich locker erlauben konnte, den o.e. Arbeitsstil dieser My_Ny_Kappa_Lambda-Fraktion als " Mist " zu bezeichnen.
Warst du je in einer Algebravorlesung? Dort werden Indizes nur sehr sparsam verwendet; typisch für die Algebra sind Summen wie a + b + c oder Produkte wie a b c
Und Emmy fragt sich nun, welche ===> Ideale gibt es denn in dem Gruppenring? Ihre Vorgehensweise befähigte mich erstmals, auf die Frage
" Warum gilt dieses Teorem? "
eine klare anschauliche sprachliche und logische Antwort zu geben.
Es gibt da in der Matematik einen Grabenkrieg zwischen zwei sich befehdenden Lagern; offenbar kriegst du das heute zum ersten Mal mit. Die einen finden dieses ewige My,Ny, Kappa, Lambda geil - denen ist einfach nicht zu raten und zu helfen. Was kann ich da tun?
Ich für mein Teil sage mir: Der Begriff der reellen Zahl war doch auch schon eine Errungenschaft. Z.B. ein Sokrates wollte noch nicht einsehen, dass es sich bei Pi und 2 ^ 1/2 um nummerische Größen handelt.
Weil ich habe immer den Eindruck, dass die Mynykappalambda-Leute nicht anerkennen wollen, dass Matrizen real existente Größen sind. Über die bloße Zahl, das Matrixelement, wachsen die nie hinaus ...