BESCHLUSS
in Sachen der Markenanmeldung 30 2018 235 999 „Mathelounge“
Die Zurückweisung der zur Eintragung für die Waren und Dienstleistungen Klasse 16, Klasse 38, Klasse 41 angemeldeten Wortmarke 30 2018 235 999 „Mathelounge“ erfolgt unter Berücksichtigung der Erwiderung vom 15.03.2019 auf den Beanstandungsbescheid vom 19.02.2019.
Der angemeldeten Marke fehlt gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG jegliche Unterscheidungskraft, denn sie ist ungeeignet, die vorliegend beanspruchten Waren und Dienstleistungen hinsichtlich ihrer Herkunft aus einem Unternehmen von denjenigen anderer Unternehmen zu unterscheiden.
Keine Unterscheidungskraft besitzen nach der Rechtsprechung vor allem solche Marken, denen die angesprochenen Verkehrskreise im Zeitpunkt der Anmeldung des Zeichens (vgl. BGH GRUR 2013, 1143, Rn. 15 Aus Akten werden Fakten) für die fraglichen Waren und Dienstleistungen lediglich einen im Vordergrund stehenden beschreibenden Begriffsinhalt zuordnen (vgl EuGH GRUR
2004, 674, 678 Nr 86 - Postkantoor; GRUR 2004, 680 Nr. 19- BIOMILD; GRUR 2011, 1035 Nr. 33, 46 - 1000; GRUR 2013, 519 Nr. 46 - Deichmann; BGH GRUR 2001, 1151, 1152 marktfrisch; GRUR 2005, 417, 418 BerlinCard; GRUR 2009, 952, 953 Nr. 10 DeutschlandCard; GRUR 2012, 270, 271, Rn. 11 Link economy; GRUR 2012, 1143 Nr. 9 - Starsat; GRUR 2013, 731 Nr. 13 Kaleido). Darüber hinaus fehlt die erforderliche Unterscheidungskraft auch bei Angaben, die sich auf
Umstände beziehen, welche die beanspruchten Waren und Dienstleistungen zwar nicht unmittelbar betreffen, durch die aber ein enger beschreibender Bezug zu diesen hergestellt wird (vgl. BGH GRUR 1998, 465, 468 BONUS; GRUR 2006, 850, 854 FUSSBALL WM 2006; GRUR 2009, 411 Nr. 9 STREETBALL; BGH GRUR 2009, 949, 951 Nr. 20 My world; GRUR 2009, 952 Nr 10 -DeutschlandCard; GRUR 2010,1100 Nr. 23 - TOOOR!; GRUR 2012, 272 Nr. 14 - Rheinpark-Center Neuss; GRUR 2012, 1143 Nr. 9 Starsat).
Bezüglich der bislang herrschenden Meinung, dass bei der Beurteilung der Unterscheidungskraft grundsätzlich von einem großzügigen Maßstab auszugehen sei und jede auch noch so geringe Unterscheidungskraft ausreiche, um das Schutzhindernis zu überwinden, bleibt festzusteUen, dass diese Formulierungen weitgehend der Amtlichen Begründung zum MarkenG entnommen wurden.
Diese beruft sich ihrerseits darauf, dass das europäische Recht, insbesondere die Markenrechts-Richtlinie, eine solche Auslegung fordere. Das trifft jedoch so nicht zu. Der Satz, dass ein großzügiger Maßstab anzulegen sei und jede auch noch so geringe Unterscheidungskraft genuge, findet sich weder im Wortlaut der Markenrechts- Richtlinie noch in der fur deren Auslegung maßgeblichen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs. Diese Auffassung geht vielmehr auf eine entsprechende Meinung im deutschen Schrifttum zurück. Der Europäische Gerichtshof hat demgegenüber mehrfach eine strenge und vollständige, nicht auf ein Mindestmaß beschränkte Prüfung von absoluten Schutzhindernissen angemahnt, um eine ungerechtfertigte Eintragung von Marken
zu verhindern (vgl. hierzu EuGH, GRUR Int 2005, 135, 137- Maglite- m.w.N.).
Die Markenanmeldung ist somit vollständig auf absolute Schutzhindernisse zu prüfen.
Maßgeblich für die Bejahung Oder Verneinung der Unterscheidungskraft ist dabei die Auffassung der beteiligten inländischen Verkehrskreise im entscheidungserheblichen Zeitpunkt. Als beteiligte Verkehrskreise sind dabei alle Kreise zu verstehen, in denen die fragliche Marke Verwendung finden oder Auswirkungen zeitigen kann. Hierzu zählen zwar in erster Linie die Konsumenten der Waren bzw. die Empfänger der Dienstleistungen; gleichwohl dürfen auch die mit der Herstellung der Waren bzw. der Erbringung der Dienstleistungen befassten gewerblichen Kreise nicht unberücksichtigt bleiben (vgl. hierzu Ströbele/Hacker/Thiering MarkenG, 12. Aufiage, Carl Heymanns Verlag KG, Köln, München 201 8, § 8 Rnr. 45 m.w.N.). Bei den Endabnehmern ist auf die mutmaßli-
che Erwartung eines normal informierten und angemessen aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbrauchers abzustellen (vgl. hierzu Ströbele/Hacker/Thiering MarkenG, a. a. O.).
Dieser Verkehr ist daran gewöhnt, waren- und dienstleistungsbezogene Angaben (besonders werbemäßig) in komprimierter Form und auch mit Hilfe mehr oder weniger einprägsamer Worte vermittelt zu bekommen. Unterscheidungskräftig können derartige Bezeichnungen also nur dann sein, wenn sie ein Mindestmaß an individueller Eigenart aufweisen, das heißt, diese düffen sich, aus der Sicht der angesprochenen Verkehrskreise, nicht in Sachaussagen zu den unter der betreffenden Bezeichnung angebotenen Waren und Dienstleistungen erschöpfen.
Diesen an die Unterscheidungskraft zu stellenden Anforderungen wird die um Schutz nachsuchende Bezeichnung „Mathelounge" jedoch auch unter Berücksichtigung der Eingabe vom 15.03.2019 nicht gerecht.
Die angemeldete Marke besteht aus den beiden Begriffen „Mathe" und „lounge", welche grammatikalisch korrekt zusammengesetzt wurden. Das Wort „Mathe" wird dabei zweifelsohne als Hinweis auf Mathematik als Schulfach verstanden werden (vgl. hierzu
https://www.munzinger.de/ m. w. N.). Das Substantiv „lounge“ kennt der angesprochene Verkehr in seiner Bedeutung als loungeartigen (gemütlichen und damit die Lernatmosphäre fördernden) Erbringungsort und als Etablissementbezeichnung (vgl. dazu emeut die dem Beanstandungsbescheid beigefügten Gerichtsentscheidungen Digital Lounge, BPatG, PAVIS PROMA, Bayer, 27W(pat) 110/07 sowie Tea Lounge BPatG PAVIS PROMA, Knoll, 25W(pat) 069/10 m. w. N).
Auch die Zusammenschreibung der beschreibenden Bestandteile führt entgegen der Auffassung des Anmelders nicht zur Bejahung der Schutzfähigkeit (so etwa in MY PROTEIN, BPatG, PAVIS PROMA, Bayer, 30W(pat) 529/ 17, topprint, BPatG, PAVIS PROMA, Bayer, 29W(pat) 554/17 und juicefresh BPatG, PAVIS PROMA, Bayer, 26W(pat) 512/ 16 m. w.
Die sprachregelgerecht gebildete Kombination wird vom angesprochenen Verkehr folglich ohne weiteres im Sinne einer gemütlichen (loungeartigen) Umgebung zum Lernen von Mathe bzw. ein Ort für Fragen rund um die Mathematik und somit als sachbezogener Hinweis auf Gegenstand und Inhalt der beanspruchten Waren und Dienstleistungen verstanden werden (vgl. dazu auch die analog gebildeten Lounge-Bezeichnungen, die in der Anlage beigefügt sind). Werden nun die von der Anmeldung beanspruchten Waren (Unterrichtsmittel im weitesten Sinne) und Dienstleistungen (Unterricht, Ausbildung, Erziehung...) mit der vorliegenden Angabe versehen, wird der angesprochene Verkehr lediglich darauf hingewiesen, dass die Dienstleistungen in einer gemütlichen, loungigen Umgebung rund um die Mathematik angeboten und erbracht werden und die Waren bei der Ausübung dieser Dienste zum Einsatz kommen und Anwendung finden. Auch die beantragten Online- und Kommunikationsdienste können dem Betrieb und der Unterhaltung einer solchen Lounge dienen. Den markenrechtlich geforderten betrieblichen Herkunftshinweis auf den konkreten Hersteller der Waren bzw. den konkreten Erbringer der Dienstleistungen wird der Verkehr hingegen nicht erkennen.
Daran ändert auch der vom Anmelder vorgetragene Umstand nichts, dass die „Mathelounge" nur „als Website verfügbar" sei. Aufgabe der Markenstelle ist es, das beanspruchte Zeichen in konkreten Zusammenhang zu den beantragten Waren und Dienstleistungen zu bringen. Es kann daher nicht nachvollzogen werden, warum aus der Angabe nicht auf Matheunterricht oder bezahlte Nachhilfe geschlossen werden sollte/kann. Diesen Sachzusammenhang muss die Markenstelle doch gerade herstellen und der Frage nachgehen, was der Verkehr (sich) denkt, wenn er nach Unterrichtsmöglichkeiten (wie im Verzeichnis beantragt) etc. Ausschau hält und dann (auch Internet) Angebote findet, welche den Schriftzug „Mathelounge" tragen. Der angesprochene Verkehr wird
dann eben keinen betrieblichen Herkunftshinweis auf den konkreten Hersteller der Waren bzw. den Erbringer der Dienstleistungen erkennen, sondern lediglich die Aussage entnehmen, dass es sich um Produkte und Dienste rund um das Thema Mathe handelt.
Dieser
betriebliche Herkunftshinweis ist jedoch nach den Vorgaben des Markenrechts zwingende Voraussetzung für die Schutzfähigkeit einer Marke. Diese soll nicht die Waren (die hergestellt) bzw. die Dienstleistungen (die erbracht werden) kennzeichnen/ beschreiben, sondern diese Vielmehr einem bestimmten Unternehmen (als Hersteller bzw. Erbringer) zuordnen (vgl. hierzu Ströbele/Hacker/Thiering MarkenG, a. a. O, § 5 Rnr. 4 m.w.N.). Diese Voraussetzung ist vorliegend nicht erfüllt.
Es ist zudem aber auch gar nicht ausschlaggebend, ob eine Wortkombination lexikalisch belegbar ist bzw. nachweislich verwendet wird oder ob davon auszugehen ist, dass es sich um eine neue Wortzusammenstellung handelt. Denn kein Lexikon und keine Werbung vermögen nur alle erdenklichen Zusammenstellungen oder Kombinationsmöglichkeiten der Aneinanderreihung von Begriffen zu sinnvollen Aussagen erschöpfend aufzulisten oder zu verwenden.
Die Neuheit einer Marke stellt nämlich weder eine unabdingbare Voraussetzung für deren Eintragungsfähigkeit dar, noch begründet sie für sich gesehen eine hinreichende Unterscheidungskraft (vgl. hierzu Ströbele/Hacker/Thiering MarkenG, a. a. O, § 8 Rnr 157, 159 m.w.N.). Insoweit ist für die Annahme des Schutzhindernisses gemäß § 8 Abs. 1 Nr. 1 kein lexikalischer oder sonstiger
Nachweis erforderlich, dass die Angabe oder das Zeichen bereits im Verkehr geläufig ist oder verwendet wird. Das gilt umso mehr, als der Verkehr daran gewöhnt ist, im Geschåftsleben ständig mit neuen Begriffen und Abbildungen konfrontiert zu werden, durch die ihm sachbezogene lnformationen lediglich in einprägsamer Form übermittelt werden sollen. Ebenso ist bekannt, dass sich solche Neubildungen häufig nicht an grammatikalischen Regeln oder korrektem Sprachstil orientieren. Für den Durchschnittsverbraucher besteht i. d. R. kein Anlass für semantische Differenzierungen und linguistische Bewertungen der neuen Bezeichnung. Vielmehr wird er auch bisher noch nicht verwendete oder grammatikalisch fehlerhafte, ihm aber gleichwohl verständliche Sachaussagen durchaus als solche und damit nicht als betriebliche Herkunftshinweise auffassen. Dass eine Angabe neuartig, ungewohnt oder fremdsprachig ist, schließt somit ihre sachbezogene Eigenschaft nicht aus (a. a. O.).
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