Ein Student schrieb in der Mathelounge:
„Ich studiere Wirtschaftswissenschaften und habe nur noch eine Klausur vor mir und die heißt: ‚Grundlagen der Mathematik und Analysis‘. Den Erstversuch im ersten Semester habe ich leider versiebt. Ich war auf einem beruflichen Gymnasium mit dem Schwerpunkt Wirtschaft, wo der Matheunterricht daraus bestand, Befehle in den programmierbaren, algebrafähigen Taschenrechner einzugeben und anschließend das Display als Lösungsweg abzuschreiben. Das erklärt vielleicht meine Schwierigkeiten mit dem oben erwähnten Pflichtmodul.“
Der Bitte, Aufgaben zu senden, bei denen er Schwierigkeiten hatte, entspricht der Student u.a. mit folgender Aufgabe:
„Bestimme x in der Gleichung 60ax+60bx-60ab=0“.
Seine erste Lösungsidee ‚pq-Formel‘ verwirft der Student aus unklaren Gründen. Seine zweite Idee ‚Division durch 60‘ verwirft er mit der Begründung: „Das bringt nichts“. Dass a und b als Parameter den Charakter von Zahlen haben, mit denen dann auch genau so zu verfahren ist, wurde im Rahmen der Arbeit mit einem symbolischen Rechner offenbar nicht deutlich.
Professor W. Schöglmann ließ einen Technik-Studenten folgende Aufgabe lösen: 4r²-r²=0. Der Student liefert diese Rechnung:
r·(4r-r)=0
r1=0 4r-r=0
3r=0
r2=1/3
Der Student kannte offenbar Aufgaben des Typs „Term=0“ (vermutlich aus dem Schulunterricht) und hatte sich eingeprägt, dass solche Aufgaben meistens über Ausklammern gelöst werden. Mit diesem festen Lösungsschema ausgestattet, übersieht er den nahe liegenden Lösungsweg. Außerdem glaubt er, es gelte 1/3·3=0. Eine Probe gelänge mit elementarer Bruchrechnung.
In der Mathelounge fand man vor einigen Wochen folgende Aufgabe:
Berechne die Raumdiagonale eines Quaders mit den Kantenlängen 5 cm, 3 cm und √2 cm.
Der Fragesteller fügte einen Lösungsvorschlag an: √(5²+3²)=5,83 berechnete er ebenso mit dem Taschenrechner, wie √2=1,41. Die Raumdiagonale berechnete er als √(5,83²+1,41²)=5,99. Der naheliegende Lösungsweg: √(5²+3²+2)=√36=6 wäre ganz ohne Taschenrechner ausgekommen und hätte auf das Weiterrechnen mit gerundeten Zwischenergebnissen verzichtet.
Sogar die Taschenrechner selbst rechnen notfalls mit gerundeten Zwischenergebnissen weiter. Das passiert zum Beispiel, wenn die Zwischenerbnisse sehr groß sind. Als Beispiel möge folgende Aufgabe dienen:
Berechne folgenden Term zunächst mit dem Taschenrechner ohne vorherige algebraische Bearbeitung: 9·29114–50424+2√50422. Wende dann die 3. binomische Formel an und berechne den so gewonnenen Term (3√29112-√50422)·(3√29112+√50422)+2√50422 mit dem Taschenrechner. Vergleiche die Ergebnisse.
Viele heute noch schulübliche Taschenrechner liefern ohne vorherige algebraische Bearbeitung das Ergebnis 2 und nach Anwendung der 3. biomischen Formel das Ergebnis 1.
Das gleiche, was für sehr große Zahlen gilt, gilt übrigens auch für sehr kleine Zahlen. Das Ergebnis von (1+10-23+10-22 – 1)·1023 wird von vielen Taschenrechnern als 0 angegeben, obwohl eine Termumformung auch eine Lösung durch Kopfrechnen ermöglicht und zum Ergebnis 11 führt.
Sehr viele Schüler haben folgende Regel in der Schule nicht mit auf den Weg bekommen:
Noch vor dem Einsatz eines Taschenrechners sollte überlegt werden, ob hier überhaupt das geeignete Gerät verwendet wird.
Ref:
Digitale Werkzeuge im Mathematikunterricht (Teil 1)