Der Bund möchte mit den Ländern einen „Digitalpakt“ schließen und dann die Länder finanziell bei der Digitalisierung ihrer Schulen unterstützen. Sind digital ausgerüstete Schulen dann die besseren Schulen? Wer fragt, wohin die Reise geht und zu welchem Zweck, gilt als Querulant und Reaktionär.
Es ist keineswegs Konsens, dass die Digitalisierung dem Menschen dient, indem sie dessen Selbstbestimmung ermöglicht und unterstützt. Wäre es so, dann würden die Parteien, die Organisationen, die Unternehmen selbst, die Lehrer und die Medien die Menschen zur Selbstbestimmung, zum selbstständigen Denken ermuntern. Bildungsbehörden würden sich seit Jahren, wenn nicht Jahrzehnten, auf die Nutzung digitaler Werkzeuge beim Wissenserwerb und bei der Persönlichkeitsbildung vorbereiten. Man würde die jungen Menschen zur eigenen Entscheidung ermutigen.
Das Gegenteil ist der Fall: Mitmachen, einreihen, Klappe halten – das ist die Art und Weise, wie Digitales uns entgegentritt. Die Digitalisierung ist mittlerweile ein ideologisches Konzept geworden.
Digitale Technologie ist ein Mittel zum Zweck, und deshalb muss vor allem über den Zweck gesprochen werden, und weniger über das Werkzeug und noch weniger um die Kooperation zwischen Bund und Ländern. Es geht um Zugänge zu Wissen und Bildung, und es geht um eine massive Erleichterung des Alltags für viele. Es geht um die Befreiung des Einzelnen von Zwängen, es geht um mehr Freiheit, überall. Gegen diese gute Seite des Digitalen arbeiten, wie es heute üblich ist, Regierung, Bertelsmann-Stiftung, OECD, Bildungsbehörden und viele andere gemeinsam an.
Professor Joseph Weizenbaum, das kritische Gewissen der Informatik, hat schon 1972 vorhergesehen: „Der meiste Schaden, den der Computer potenziell zur Folge haben könnte, hängt weniger davon ab, was der Computer tatsächlich kann oder nicht kann, als vielmehr von den Eigenschaften, die das Publikum dem Computer zuschreibt.“ Im Bereich schulischer Bildung ist zu ergänzen: „ … und von der Art und Weise des Umgangs mit dem Computer.“
Was wissen die Eliten in Medien, Wirtschaft und Politik schon von den Grundlagen der Informatik? Können sie die Über- und Untertreibungen richtig einschätzen? Es sieht nicht so aus. Medien fördern gern die kritiklose Bejubelung des Begriffs der „Künstlichen Intelligenz“. Dieser fehlgeleitete Begriff ist bei näherer Betrachtung eine mediale Inszenierung. Und viele Eliten in Politik und Wirtschaft übernehmen diese inszenierte Übertreibung kritiklos. Die Forschung kann zwar die Frage, was Intelligenz ist, nicht annähernd beantworten, aber IT-Unternehmen bauen sie bereits in künstlicher Version in ihre Mobiltelefone ein.
In der Bildungspolitik sieht man die digitalen Werkzeuge als Rechenknechte und als Königswege zur Problemlösung. Eine maßlose Untertreibung. Computer sind viel mehr als Rechen- und Lösungsautomaten. Wer allerdings die Fähigkeiten eines Schachcomputers oder eines Smartphones für intelligent hält, beweist eigentlich nur, dass er es selbst nicht ist.
Die vielbeschworene digitale Kompetenz ist bloß Konsumkompetenz. Es fehlt die Betonung des Zusammenhangswissens, das sich nur durch kritisches Denken, also selbstständiges Erfahren, schulen lässt. Auch dazu könnte der Computer als Werkzeug genutzt werden.
Der Computer ist beispielsweise in der Lage, große Datenmengen in kürzester Zeit zu erstellen, denen dann ein Muster entnommen werden kann, dass es anschließend zu beweisen gilt. Computer sind außerdem auf Knopfdruck in der Lage, Sachverhalte unterschiedlich darzustellen und so dabei zu helfen, Beweisideen zu entwickeln.