Hallo battel101,
ich versuche mal an einem Beispiel deutlich zu machen, wofür wir den Rekursionssatz benötigen.
Angenommen wir möchten eine Abbildung \(\Phi\colon X\to \mathbb{R}_{>0}\) von den natürlichen Zahlen in die positiven reellen Zahlen definieren, und zwar auf folgende Weise: \(\Phi(x_0)\) soll \(\sqrt{2}\) sein und für jeden Nachfolger \(f(x)\) einer natürlichen Zahl \(x\in X\) soll gelten: \(\Phi(f(x))\) sei \(\frac{1}{1+\Phi(x)}\).
Das ist auf der einen Seite eine sehr komische "Definition", weil wir für die "Definition" von \(\Phi(f(x))\) bereits \(\Phi\) verwenden. Andererseits verwenden wir für die Festlegung von \(\Phi(f(x))\) nur \(\Phi(x)\) und nicht die gesamte zu definierende Abbildung \(\Phi\).
Intuitiv haben wir \(\Phi(x_0)=\sqrt{2}\) festgelegt, damit auch \(\Phi(f(x_0))=\frac{1}{1+\Phi(x_0)}\), damit auch \(\Phi(f(f(x_0)))=\frac{1}{1+\Phi(f(x_0))}\), damit auch \(\Phi(f(f(f(x_0))))=\frac{1}{1+\Phi(f(f(x_0)))}\) usw. Es sollte also intuitiv zu erwarten sein, dass es tatsächlich genau eine Abbildung \(\Phi\colon X\to\mathbb{R}_{>0}\) gibt mit \(\Phi(x_0)=\sqrt{2}\) und \(\Phi(f(x))=\frac{1}{1+\Phi(x)}\) für alle natürlichen Zahlen \(x\in X\).
Und der Rekursionssatz bestätigt uns wasserdicht mit \(Y:=\mathbb{R}_{>0}\), \(y_0:=\sqrt{2}\in\mathbb{R}_{>0}\) und \(g\colon\mathbb{R}_{>0}\to\mathbb{R}_{>0},\;g(y):=\frac{1}{1+y}\), dass es tatsächlich genau eine Funktion \(\Phi\colon X\to\mathbb{R}_{>0}\) gibt mit \(\Phi(x_0)=\sqrt{2}\) und \(\Phi(f(x))=g(\Phi(x))\) (d.h. \(\Phi(f(x))=\frac{1}{1+\Phi(x)}\)) für alle \(x\in X\).
Der Rekursionssatz rechtfertigt also solche sogenannten "rekursiven" Definitionen, bei denen der Funktionswert \(\Phi(f(x))\) einer Nachfolgerzahl \(f(x)\) auf den Funktionswert \(\Phi(x)\) der vorherigen Zahl \(x\) zurückgeführt wird.
Viele Grüße, Tobias