Im Internet finden wir unter
https://www.alice.edu.tum.de/bruchrechnen.html#/ ein Werk, das Schüler*innen an die Hand gegeben werden kann, um ihnen Brüche und Bruchrechnen interaktiv begreiflich zu machen. In einer der sehr schönen Aufgaben sollen Bruchzahlen so auf einen Zahlenstrahl ‚gezogen‘ werden, dass sie die zutreffende Stelle markieren.
Leider wird an dieser Stelle versäumt, die Frage zu stellen: „Was fällt dir auf und welche Begründung(en) gibt es für diese Auffälligkeit?“ Wenn Mathematikunterricht nach Heinrich Winter und Lisa Hefendehl-Hebeker erlebbar machen soll, wie mathematisches Wissen entsteht, ist dieses Versäumnis unverzeihlich. Man kann sich des Eindruckes nicht erwehren, dass die Autoren (allesamt Hochschullehrer für Didaktik der Mathematik) ihren Ehrgeiz und einen großen Teil ihrer intellektuellen Ressourcen auf die Gestaltung der benutzerfreundlichen Oberfläche verwendet haben, statt über wesentliche Lernziele von Mathematikunterricht nachzudenken.
Genau an dieser Stelle liegt ein besonderes Dilemma bezüglich der Frage: Welchen Mehrwert hat das elektronische Werkzeug für Schüler*innen beim Mathematiklernen? Es gibt ja durchaus viele Möglichkeiten, den Computer für das Generieren von Datenmengen zu nutzen, denen dann ein Muster angesehen werden kann, oder als Werkzeug im Zuge des Repräsentationswechsels zu nutzen. Oft kann am Ende des Computereinsatzes eine Entdeckung gelingen, die auch schon ohne Beweis für einen mathematischen Wissensgewinn sorgt.
Allzu oft wird die Frage: „Welchen Beitrag kann der Computer leisten, um Mathematik besser vermitteln zu können bzw. leichter zu erlernen?“ ersetzt durch die Frage: „Was können Computer und wie kann man dieses Können im Mathematikunterricht einsetzen?“ Ausgangspunkt mathematikdidaktischer Fragen ist oft leider nicht die Theorie des Lernens sondern die Praxis technischer Möglichkeiten.
