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Ein Interview mit dem Mathematikprofessor Don Zagier endet mit den Worten: „Ich glaube, dass jeder Mensch, ob jung oder alt und ob mit dem Umgang mit Zahlen vertraut oder nicht, diese Schönheit [der Zahlentheorie] erkennen und genießen kann, wenn sie ihm richtig präsentiert wird. Er müsste dafür einige der wirklich schönen Beispiele mathematischen Denkens kennenlernen, was allerdings eher der euklidische Beweis der Unendlichkeit der Primzahlfolge wäre als etwa die Frage, wie man die Steuer effizient berechnet. Leider lernt man solche Beispiele allzu selten in der Schule kennen und später erst recht nicht.“ https://www.brandeins.de/magazine/brand-eins-thema/wirtschaftspruefer-steuerberater-2020/ist-mathematik-kunst-oder-wissenschaft?utm_source=pocket-newtab-global-de-DE

Don Zagier begann nach eigenem Bekunden mit etwa elf Jahren sich vor allem auf die Mathematik zu konzentrieren. Er stellte sich selber Aufgaben und entdeckte Muster in Zahlenreihen. Zum Beispiel dachte er darüber nach, dass die Summe einer Reihe aufeinanderfolgender ungerader Zahlen immer eine Quadratzahl ergibt. Wenn man sich für Mathematik interessiert, will man wissen, warum das so ist. „Das hat mich mit elf Jahren beschäftigt. Was ich heute mache, Zahlentheorie, ist nichts anderes, allerdings auf einem etwas anspruchsvolleren Niveau.“
Die Frage, was denn an Zahlen so interessant sei, beantwortet Zagier durch einen Vergleich mit einem Mineralogen, der in einem Stein spannende Dinge sieht. Für ihn seien Steine völlig uninteressant, Zahlen dagegen so konkret, aufregend und vielschichtig wie Steine für den Mineralogen. Zahlen haben Eigenschaften, von denen manche kompliziert sind. Die Zahlentheorie versucht, diese Eigenschaften zu verstehen.
Die Zahlentheorie begründet hat griechische Mathematiker Diophant aus Alexandria etwa im zweiten Jahrhundert nach Christi in seiner Arithmetik. Er ist Fragen nachgegangen wie: Was sind Zahlen? Was sind negative Zahlen? Wie rechnet man mit negativen Zahlen? Wie rechnet man mit der Zahl Null? Sein Werk ist eine enorme Leistung. Diophant hat auch Fragestellungen entwickelt, die der große Mathematiker Pierre de Fermat anderthalb Jahrtausende später aufgreifen konnte. So etwas gibt es wahrscheinlich in keiner anderen wissenschaftlichen Disziplin, außer vielleicht in der Philosophie. In der Arithmetik des Diophant stecken Fragen, die wir noch immer nicht vollständig beantworten können. Er hat ein sehr spannendes Teilgebiet der Zahlentheorie erfunden, die diophantische Analysis. Das sind Gleichungen, die zum Teil so komplex sind, dass ein Supercomputer Jahrtausende bräuchte, um sie zu lösen. Ein Beispiel ist die Gleichung
a/(b+c) + b/(a+c) + c/(a+b) = 4
Gesucht sind die kleinsten natürlichen Zahlen für a, b und c. Sie haben mehr als 75 Ziffern. Mathematiker, die nicht auf Zahlentheorie spezialisiert sind, können diese Gleichung nicht lösen. Ein Computer bräuchte für simples Durchprobieren Millionen Jahre. Zur Lösung verwendet man die Theorie der elliptischen Kurven, die wohl alle Zahlentheoretiker kennen. Die meisten werden nach einer halben Stunde Auseinandersetzung mit dieser Aufgabe sehen, dass sie mit dieser Theorie arbeiten müssen. Wenn man in dieser Formel die 4 durch eine 6 ersetzt, wird es noch schlimmer – a, b und c sind dann Zahlen mit etwa 100 Ziffern. Und wenn man 4 oder 6 dann durch 896 ersetzt, haben die kleinsten Werte von a, b und c mehr als zwei Billionen Ziffern. Die Formel sieht simpel aus, doch sie ist eine erstaunliche Aufgabe mit weitreichenden Dimensionen.
Die Frage: „Wozu braucht man solch abstraktes Wissen?" beantwortet Zagier mit einer Gegenfrage: „Worin liegt der Nutzen einer Sonate von Mozart? Oder der eines Goethe-Gedichts?“ Nicht bei allem, was Menschen machen, geht es um den unmittelbaren, praktischen Nutzen. Menschen machen auch Dinge, weil sie schön sind oder faszinierend. Die Mathematik ist davon nicht weit entfernt. Wozu betreibt man Forschung? Natürlich auch um praktische Probleme zu lösen, Krankheiten zu heilen, Geld zu verdienen oder weil man auf den Nobelpreis hofft. Aber echte Forscher sind vor allem von Neugier getrieben. Natürlich ist der Satz des Pythagoras auch praktisch, wenn man Flächen berechnen oder ein Gebäude bauen will. Egal welche Winkel ein Dreieck hat – ihre Summe ist immer 180 Grad. Aber das hat auch eine eigene Schönheit, zumindest für Mathematiker.
Eine mathematische Formel hat einen ästhetischen Reiz, wie vollendete Musik. Kein Mathematiker kann entscheiden, ob die Mathematik eine Wissenschaft ist oder eine Kunst. Vielleicht ist sie beides. Ein Mathematiker, der für eine mathematische Aussage mehrere Beweise kennt, wird immer den elegantesten, den schönsten Beweis vorziehen. Selbstverständlich ist Mathematik auch nützlich, die gesamte moderne Technologie beruht darauf. Es gibt aber auch Entdeckungen, die anfangs nur für Mathematiker faszinierend waren, für die keine praktische Anwendung erkennbar war und die dann später in Kontexten wichtig wurden, von denen ihre Entdecker nichts ahnen konnten. Kein Computer würde funktionieren ohne die Erfindung der binären Zahlen oder die Boole’sche Algebra. Doch als Boole die etwa 1850 entwickelte, galt sie als sinnlose Spielerei, fern jedes praktischen Nutzens. Ein anderes Beispiel ist Kryptografie, Verschlüsselung: Die Codes, mit denen Banküberweisungen vor nicht legitimierten Zugriffen geschützt werden, beruhen auf relativ avancierter Zahlentheorie – die nicht zu diesem Zweck entwickelt wurde.
Wir kennen noch lange nicht alle Eigenschaften der Zahlen. Jede Lösung von einiger Tiefe führt zu neuen Fragestellungen. Die wichtigsten Fragen sind nicht annähernd gelöst. Riesige Themenfelder, etwa in der Theorie der elliptischen Kurven, sind nicht einmal richtig erschlossen. Und in anderen Gebieten kennen wir die wirklich interessanten Fragen wahrscheinlich noch gar nicht. Die schwierigste Aufgabe in der Mathematik ist eigentlich, produktive Fragestellungen zu entwickeln. Es geht immer eher darum, Probleme zu finden, als Probleme zu lösen. Für einen guten Forschungsmathematiker geht es um das Finden von Fragen. Diese Freiheit hat man wahrscheinlich in keiner anderen Disziplin. Aber dabei kann man nie sicher sein, ob eine selbst gestellte Aufgabe zu tieferen Fragestellungen führt. Es gibt mathematische Fragestellungen, die vielleicht nur ein Dutzend Menschen wirklich verstehen, weil das ihr Spezialgebiet ist. Es gibt mehr extrem interessante Probleme als darauf spezialisierte Mathematiker. Man kann also sagen, dass die Zahlentheorie sehr komplex geworden ist – auch wenn ihr Gegenstand einfach Zahlen bleiben.

geschlossen: Wissensartikel
von Roland
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Ein Beispiel ist die Gleichung
(a/b+c) + (b/a+c) + (c/a+b) = 4
Gesucht sind die kleinsten natürlichen Zahlen für a, b und c. Sie haben mehr als 75 Ziffern.

Kleine Rückfrage:

Ist wirklich diese Gleichung gemeint oder vielleicht diese:

a/(b+c) + b/(a+c) + c/(a+b) = 4

Dieser Druckfehler stand schon in der angegebenen Quelle. Aber du hast sehr wahrscheinlich recht. Ich werde es entsprechend deinem Vorschlag ändern.

Offensichtlich hatte meine Quelle unrecht und deine Quelle recht. Man soll eben nicht alles glauben, was man im Internet findet.

Die zuerst angegebene Gleichung

(a/b+c) + (b/a+c) + (c/a+b) = 4

kam mir von Anfang an seltsam vor. Da wären ja eigentlich überhaupt keine Klammern nötig gewesen !

b + 2c + a/b+ b/a + c/a = 4

So setzte ich zuerst mal die Klammern anders und suchte erst dann nach möglichen Quellen.

Dass die verkehrt notierte Gleichung in einem Artikel eines Magazins mit einem gewissen wissenschaftlichen Anspruch veröffentlicht wurde, halte ich doch für ziemlich bedenklich.

Wenn es um Mathematik geht, wird es nicht nur bei Magazinen mit einem gewissen wissenschaftlichen Anspruch ganz eng.

Man kann dem falsch gestellten Zahlenrätsel doch wenigstens noch eine Übungsaufgabe abgewinnen:

Zeige, dass die Gleichung

(a/b+c) + (b/a+c) + (c/a+b) = 4
bzw.
b + 2c + a/b+ b/a + c/a = 4

keine Lösung mit positiven ganzzahligen Werten für a, b, c und d besitzt !

und eine Zusatzfrage:

Wie groß muss die natürliche Zahl n  mindestens sein, damit die Gleichung
          b + 2c + a/b+ b/a + c/a = n
ein Lösungsquadrupel (a,b,c,d) aus positiven ganzzahligen Werten besitzt ?

Schöne Aufgaben. Bei der zweiten  muss es statt d aber n heißen.

Ach ja. Das d ist mir in beiden Aufgaben nur so dummerweise reingerutscht. Also nochmals:

Zeige, dass die Gleichung
         (a/b+c) + (b/a+c) + (c/a+b) = 4
bzw.
          b + 2c + a/b+ b/a + c/a = 4
keine Lösung mit positiven ganzzahligen Werten für a, b und c besitzt !

Zusatzfrage:

Wie groß muss die natürliche Zahl n  mindestens sein, damit die Gleichung
            b + 2c + a/b+ b/a + c/a = n 
wenigstens ein Lösungstripel (a,b,c) aus positiven ganzzahligen Werten besitzt ? 

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