0 Daumen
849 Aufrufe

Ein Experiment: Eine große Anzahl von Abiturient*innen erhält bei Studienbeginn folgende Aufgabe:

      Berechnen Sie ohne digitales Werkzeug den exakten Wert des Terms \( \frac{3}{2} \) +\( \sqrt{(\frac{3}{2})^{2}-2} \) .


Obwohl der Ausgang dieses Experimentes hochinteressant wäre, ist niemand bereit, es in die Tat umzusetzen. Ein Mathematikdidaktiker, der das täte und die Gelegenheit zur Veröffentlichung hätte, erhielte einigen Gegenwind nicht nur aus Fachkreisen. Bei Bildungspolitikern und deren Ministerien würde sein Ergebnis entweder ignoriert oder mit Hinweis auf die Gegenmeinungen kommentiert.


Etwas ganz Entsprechendes zeigte die Reaktion auf den offenen Brief „Mathematikunterricht und Kompetenzorientierung“ der vor einigen Jahren die Diskussion um die Absenkung des schulischen Mathematik-Niveaus an die Öffentlichkeit brachte. Leider waren die beigefügten Aufgaben aus Klausuren für Studienanfänger eines Ingenieurstudiums deutlich schwieriger als obige Aufgabe und gaben Anlass zu folgender Behauptung, welche die Mathematikdidaktikerin und PISA-Beauftragte Frau Prof. Reiss auf den offenen Brief und die beigelegten Aufgaben vorbrachte:


„Es ist ein fundamentales Missverständnis, dass die Schule die Schüler studierfähig abzuliefern hat. Die Schule ändert sich, weil ihre Bedingungen sich ändern. […]. Die Hochschulen können also […] nicht einfach Analysis und Algebra verlangen wie vor 20 Jahren: Wir an der TU München holen die Studienanfänger da ab, wo sie stehen. Die von den Unterzeichnern des Brandbriefes angeführten Aufgaben sind genau solche, die man in der Regel heute nicht mehr im Studium braucht – und wenn man sie braucht, kann man sie sich aneignen.


Um nicht beurteilen zu müssen, ob man im Studium die selbständige hilfsmittelfreie Lösung der Aufgabe 1000x - 2ˑ100x=3ˑ10x braucht und gegebenenfalls sich die erforderlichen Voraussetzungen selbständig aneignen kann, sollte man auch die eingangs genannte Aufgabe zur Testaufgabe machen. Das Ergebnis dürfte kaum deprimierender sein.


Die Mathematikerin und Hochschullehrerin Dr. Astrid Baumann (Verfasserin des oben zitierten offenen Briefes) bemerkt in diesem Zusammenhang:


Ohne sattelfeste Grundlagen aus der klassischen Mittelstufen-Algebra und -Geometrie sind die Studierenden nicht nur bei diesen Aufgaben völlig hilflos, sondern in der gesamten Ingenieurmathematik. Dieser Stoff wird in den Bildungs-standards für die Sekundarstufe I aus dem Jahr 2003 großenteils nicht mehr explizit aufgeführt; z.B. werden binomische Formeln oder Potenzen mit rationalen Exponenten nicht mehr verpflichtend verlangt. Im Zeitraffer aneignen kann man sich diese Grundlagen nicht.

geschlossen: Wissensartikel
von Roland
Avatar von 123 k 🚀
fundamentales Missverständnis, dass die Schule die Schüler studierfähig abzuliefern hat

WzT ist dann der Zweck von Gymnasien, wenn nicht die Hochschulreife / Studierfähigkeit? Eine geschützte Tagesstruktur für die Unterrichtenden? Eine davon erzählte meiner Tochter, sie sei nicht Lehrerin, sondern Lehrperson. Das Erste sei total falsch und das Zweite total wichtig. Wieso gibt es noch Maturfeiern? Wird dort in Wahrheit eher nach dem Motto "Hurra, endlich geht ihr weg" jubiliert? Und weshalb wird die PISA-Liste von einem kommunistisch regierten Schwellenland angeführt?

Tschakabumba hatte im Community-Chat ein Video von Herrn Weitz veröffentlicht, der einen kleinen Test mit einem Erstsemester durchgeführt hat.

Es war eine kleine Auswahl von 6 Fragen, deren Beantwortung man zum Verständnis der Vorlesung auf jeden Fall können sollte.

Dort kann man sehen, wie das im Fach Mathematik um das Wissen im Fach Mathematik bestellt ist. Auch ich habe regelmäßig Schüler, die eine Kurvendiskussion einer gebrochen rationalen Funktion durchführen können, aber nicht in der Lage sind, eine prozentuale Abweichung zu bestimmen.

https://youtu.be/CQQlFcUbrUs


Übrigens

1000^x - 2·100^x = 3·10^x
(10^3)^x - 2·(10^2)^x = 3·10^x
10^(3x) - 2·10^(2x) = 3·10^x
(10^x)^3 - 2·(10^x)^2 = 3·10^x

z^3 - 2·z^2 = 3·z
z^3 - 2·z^2 - 3·z = 0
z·(z^2 - 2·z - 3) = 0
z·(z + 1)·(z - 3) = 0

z = 10^x = 0 → Keine Lösung für x
z = 10^x = -1 → Keine Lösung für x
z = 10^x = 3 --> x = LN(3)/LN(10)

Na ja, auf 9/4 und dass 2 = 8/4  ist kommt man auch heute noch, denke ich.

Die Wurzel aus 1/4 schafft man auch noch, um so auf 2 zu kommen.


Was heute zählt, ist: Wie kann ich etwas schnell googlen und anhand von Beispielen

schnell verstehen ohne langes Herleiten.

Nur wer Mathe studieren will, muss andere Wege gehen.

Wer Mathe für praktische Aufgaben braucht, braucht gewissen Grundlagen,

zu denen z.B. Beweisen nicht zählt.

Leben heißt Probleme lösen (Popper), ich füge hinzu: Heute möglichst schnell,

effizient und kostengünstig, auch wenn es manchmal wie die Quadratur des

Kreises erscheinen mag.

Nichts ist unmöglich, wenn man weiß, wie, Ideen hat, u.a.

Ob Schule Kreativität fördern kann, kommt drauf an, v.a.auf das Lehrpersonal

und dessen Motivationpotential in sehr schweren Zeiten - und realistische Lernziele,

die man oft in hochtrabenden, abgespaceten Lehrplänen vermisst.

Wenn ich demnächst A13 statt A12 bekomme als Grundschullehrer, reicht das sicher

als Stimulus allein nicht aus.

Geld allein hat noch nie Probleme gelöst, oft noch verschärft, wenn etwa Profitgier

und nicht zuende gedachte Visionen im Spiel sind.

Lehrersein ist ein harter Brot, das auch Geld nicht weicher macht.

Warum wollen immer weniger Lehrer werden? Sicher auch wegen des Gesundheitsrisikos.

Lehrermangel verschärft sich bis 2035
Der Mangel an Lehrkräften verstärkt sich durch den gestiegenen Bedarf an pädagogischem Personal. Laut Kultusministerkonferenz liegt der Bedarf für Lehrkräfte im Zeitraum 2021 bis 2035 bei einer halben Million. Von diesen Stellen werden der Berechnung nach 24.000 unbesetzt bleiben.05.01.2023


Zahl der Woche Nr. 40 vom 4. Oktober 2022

WIESBADEN – Im vergangenen Jahr haben rund 28 900 Lehramtsstudierende ihre Abschlussprüfungen im Master oder 1. Staatsexamen bestanden. Das waren 3,8 % mehr Lehramtsanwärterinnen und -anwärter als im ersten Corona-Jahr 2020 (rund 27 900), als zahlreiche Prüfungen pandemiebedingt in Folgesemester verschoben wurden. Im Zehnjahresvergleich sank die Zahl der Lehramtsabsolventinnen und -absolventen mit einem Masterabschluss oder dem 1. Staatsexamen jedoch um 13,8 %, wie das Statistische Bundesamt (Destatis) anlässlich des Weltlehrertags am 5. Oktober mitteilt.


Noch ehe ich zu Ende gelesen hatte, wusste ich: Ein Beitrag von ggT22.

So wie ich weiß, dass bald wieder eine Geo-Aufgabe von dir kommt. :)

Also kauft Aktien von ausländischen Wärmepumpen-Herstellern...

Mit der Rente wird das nix mehr ;)

Rüstung läuft vlt. noch besser, für Skrupellose zu empfehlen:

https://www.google.de/search?q=rheinmetall+aktie&source=hp&ei=JGRKZLXbBNOakdUP5veXsAI&iflsig=

@ ggT22:

Na ja, auf 9/4 und dass 2 = 8/4  ist kommt man auch heute noch, denke ich.
Die Wurzel aus 1/4 schafft man auch noch, um so auf 2 zu kommen.

Wer ist 'man'? Ich weiß aus Erfahrung, dass es keine 50% der Studienanfänger sind.


Obwohl der Ausgang dieses Experimentes hochinteressant wäre, ist niemand bereit, es in die Tat umzusetzen.

Also werden wohl keine repräsentative Studien durchgeführt. Oder wie ist die Aussage zu verstehen?

Wer ist 'man'? Ich weiß aus Erfahrung, dass es keine 50% der Studienanfänger sind.

Was sind das für Erfahrungen? An welchen Hochschulen wurden sie gesammelt? Wie ist der Begriff "Studienanfänger" dabei definiert? Gibt es da eine Einschränkung bzgl. Fach, Vorbildung etc?

Selbstverständlich werden repräsentative Studien durchgeführt. Aber nicht mit so banalen Aufgaben.
"Studienanfänger" sind Abiturienten, die ein Studium beginnen.

Meine Erfahrungen habe ich an ca. 35 Abiturjahrgängen (1971 - 2009) gesammelt und beziehen sich auf die letzten 8 Jahrgänge, deren Fähigkeiten in der Bruchrechnung kontinuierlich abnahmen.

Die Ursache ist im Grunde einfach:

Es studieren immer mehr Menschen. Da muss ja das Niveau abnehmen.

Das ist politisch so gewollt. Wir müssen uns damit arrangieren.

Zum Glück bin ich seit 14 Jahren pensioniert und muss mich damit nicht mehr anfreunden. Und abfinden werde ich mich damit in diesem Leben nicht mehr.

Und abfinden werde ich mich damit in diesem Leben nicht mehr.

Dann halt im nächsten oder der Ewigkeit, in der du lange Zeit dafür haben wirst. :)

Ein anderes Problem?

Stell deine Frage

Ähnliche Fragen

0 Daumen
0 Antworten
0 Daumen
4 Antworten
0 Daumen
1 Antwort
Gefragt 11 Dez 2015 von Gast

Willkommen bei der Mathelounge! Stell deine Frage einfach und kostenlos

x
Made by a lovely community