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Hallo :)

Ich sitze gerade an meinem Analysis Übungsblatt und habe eine kurze verständnis Frage:

Laut dem HDI ist die Ableitung der Stammfunktion (wenn diese existiert) ja die Funktion selbst. Somit ist die Funktion selbst ja eine Ableitung und müsste dadurch ja den Zwischenwertsatz der Ableitung erfüllen. Treppenfunktionen sind ja offensichtlich riemann int. aber haben ja "Lücken". Folgt dann daraus, dass es zu den meisten Treppenfunktionen keine Stammfunktion geban kann weil die Zwischenwerteigenschaft nicht erfüllt ist, oder habe ich da was falsch verstanden?

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  Lass mal Pappi ran; Junge du bist ein Genie.  Ich empfehle dir, Mathe zu studieren, weil du Fragen stellst, die die Profs gerne hören ...

    Im Fischerlexikon ( das leider nicht mehr verlegt wird ) stand das alles drin; als Lehrbuch empfehle ich dir eindeutig den Mangold-Knopp.  Absoluter Horror ist das berüchtigte Taschenbuch  von Friedhem Erwe, der sich bemüht, alles eben so exakt wie unverständlich zu erklären.

   Zwei Typen von Integralen haben sich durchgesetzt: das Lebesgue-Integral ( L-Integral ) das mit Maßfunktionen arbeitet und voll in eine Grundlagenkrise der Matematik hinein brettert, die man euch Studenten tunlichst verschweigt ===> Tarskiparadox  ; ===> Auswahlaxiom  .

    Und dann gibt es eben das gute alte Haus backene Riemannintegral ( R-Integral )  Um nun  von Vorn herein die Klasse der R-integrierbaren Funktionen so groß wie möglich zu halten , betrachten wir die Menge der auf einem ===> kompakten Intervall beschränkten Funktionen.

    Das  bietet den unschätzbaren Vorteil, dass jede beschränkte Funktion ihr ===> Supremum so wie ihr ===> Infimum besitzt.  Jetzt fühl ich dir gleich mal auf den Zahn, ob du schon verstanden hast, was der Unterschied ist zwischen Maximum und Supremum oder ob du immer noch ein Anfänger bist, der das verwechselt. Weil diese Konstruktion wird jetzt lebensnotwendig.

   Jede nach Oben beschränkte Menge reeller Zahlen besitzt ihr Supremum; das ist nämlich genau der Grund, warum wir Analysis auf den REELLEN Zahlen betreiben und nicht etwa auf den rationalen ===> Dedekindscher Schnitt .

   Zwei berühmte Gegenbeispiele;  sicher ist die Menge aller x  €  |Q  ,  x  ²  <  2  ,  nach Oben beschränkt. Sie besitzt aber keine KLEINSTE  obere Schranke;  bekanntlich ist Wurzel ( 2 ) nicht rational.

   Oder nimm die Archimedische Ausschöpfung der Kreisfläche aus unseligen Schulzeiten; Pi ist keine rationale Zahl.

    Wie entstehen jetzt diese ganzen Untersummen?  Du betrachtest eine Zerlegung, im Grunde eine ===> Partition deines Intervalls . Und dann summierst du auf  " Infimum f  Mal Breite des Teilintervalls "     Jetzt kommt aber ein Grenzwert ins Spiel; du betrachtest eine ===> Zerlegungsfolge  , deren ===> Feinheit gegen Null geht.  Wenn du das so machst, stellst du fest, dass die Folge dieser Untersummen  MONOTON WÄCHST  und NACH OBEN BESCHRÄNKT ist  ===>  Sie konvergiert .

   Und wo Matematiker besonders spitzfindig sein müssen:  Dieser Grenzwert hängt nicht ab von der speziellen Art der Zerlegungsfolge.  Diesen Grenzwert nenne ich das Unterintegral der Funktion auf besagtem Intervall.  Analog für das Oberintegral. Dann gilt also die Abschätzung


             Unterintegral  <  =  Oberintegral         (  1  )


    Nein das Gleichheitszeichen ist nicht selbstverständlich;  Gegenbeispiel die ===>  Dirichletfunktion  .

     Nun  stellt sich aber doch irgendwo heraus, dass Matematiker Vernunft begabte Wesen sind; häufig findest du die Sprechweise, die Dirichletfunktion sei eine  " patologische  "  Funktion .  Und wenn nun in ( 1 )  das Gleichheitszeichen gilt, wollen wir sagen, die Funktion sei R  imtegrierbar  .

    Nun stellt sich aber zur großen Erleichterung der Zunft heraus,  dass in der Tat ALLE STETIGEN FUNKTIONEN INTEGRIERBAR SIND .    In der Tat gibt es Autoren, die all diese Kalamitäten zu vermeiden trachten und daher den Begriff des R-Integrals von Vorn herein auf stetige Funktionen beschränkt wissen wollen.

    Gilt eigentlich auch die Umkehrung? Nur fast;  das Kriterium findest du nicht in der Anfängerliteratur, sondern erst in den Büchern über Funktionalanalysis

   " Eine ( beschränkte ) Funktion ist R-integrierbar genau dann, wenn sie ===>  fast überall ( f.ü. ) stetig ist. "

       Ich war ja Übungsleiter im ersten Semester Mechanik;  mein bester Mann Rüdiger

    " Du musst schon verstehen, wenn wir uns nicht für Physik intressieren. Wir haben wichtige Analysis Hausaufgaben zu lösen; hier kannst du uns helfen? Existiert das Integral


               1 / Pi

                 $               sin  ( 1 / x )  d x             (  2  )          "

           -  1 / Pi



      Heute weiß ich es; der Integrand ist stetig mit Ausnahme eines einzigen Ausnahmepunktes - also f.ü.

    Und warum ist die Dirichletfunktion nicht integrierbar? Weil sie NIRGENDS stetig ist.

    Der Hauptsatz der Differenzial-und Integralrechnung besagt

   "  Sei y  =  f ( x )  stetig auf [  a  ;  b  ]   Dann ist


                                    x0

        F  (  x0  )  :=        $           f  (  x  )  dx             (  3  )

                                    a



      eine in x0 differenzierbare Funktion; und ihre Ableitung ist f  (  x0  )    .  "


       Ich hab mir deine Frage nochmal durchgelesen;  du scheinst die beiden Begriffe  zu verwechseln ===> Zwischenwertsatz ( ZWS )  für  STETIGE Funktionen so wie ===> Mittelwertsatz ( MWS )  für DIFFERENZIERBARE  Funktionen.  Darum erzähle ich dir jetzt, wie man den Hauptsatz beweist -  an sich ist das einer der trivialsten Schlüsse der Analysis.

    Mein hoch verehrter Prof  " Lotar "   fing ja immer so an

   " Wenn man schon wüsste, dass ...  (  der Hauptsatz gilt. )   "

     Dann wüsste ich ja, dass die Aufleitung F ( x0 )  den  MWS  erfüllt.  Und genau das werden wir uns zu Nutze machen . Setzen wir also den MWS voraus und  drehen einfach den Spieß um; gelingt es mir dann, den Hauptsatz herzuleiten?  Der MWS  behauptet


                                                          x0

                                                           $   f ( x ) dx

                                                          a

      (E)  x1  =  x1  (  x0  )   |       ---------------------------   =  f  (  x1  )      (  4  )

                                                        x0  -  a



      Und für x0  ===>  a  geht  auch x1  ===>  a  ;  Stetigkeit von f bedeutet gerade, dass Limesbildung und Funktionsvorschrift miteinander vertauschen:


             lim  f  (  x1  )  =  f  [  lim  (  x1  )  ]  =  f  (  a  )          (  5  )


    Damit wäre der Hauptsatz bewiesen -  voraus gesetzt, das wir uns nicht in einen Zirkelschluss verrennen.  Beim Beweis  des MWS  dürfen wir ja nichts unterschieben, was versteckt darauf anspielt, dass der Hauptsatz richtig sein könnte.

     Die Grundidee eines Beweises;  auf einem kompakten Intervall, etwa [  a  ;  b  ]  , nimmt jede stetige Funktion ihre ( absoluten ) Extrema x ( min / max ) an.  Und in jenem Intervall musst du nach x0 suchen; Behauptung


        x0  €  (  x  (  min  )  ;  x  (  max  )  )         (  6a  )


     Wir machen das jetzt mit einer ganz groben Abschätzung von Ober-und Untersumme:


           f  (  min  )  (  b  -  a  )  <  =  $  <  =  f  (  max  )  (  b-  a  )        (  6b  )


          Die Behauptung ( 6a )  folgt nämlich genau aus dem ZWS ,  angewandt auf f ( x )   - überleg mal.

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> Laut dem HDI ist die Ableitung der Stammfunktion (wenn diese existiert) ja die Funktion selbst.

Nein.

Laut Defintion des Begriffs Stammfunktion ist F genau dann eine Stammfunktion von f , wenn F' = f ist.

Der HDI besagt u. a., dass F(x) := ∫x0..x f(x) dx unter gewissen Voraussetzungen eine Stammfunktion von f ist.

Diese Voraussetzungen sind

  1. f ist stetig auf einem Intervall [a,b]
  2. x0 ∈ [a,b]

> Treppenfunktionen sind ja offensichtlich riemann int.

Aber nicht stetig. Deshalb kann man den HDI nicht anwenden.

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Ah danke :)

Jetzt ist es klarer ^^

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