Vielleicht war ja Frankfurt nicht gut - aber doch besser als sein Ruf.
Ich war ja Physikstudent. Eigenwerte sind wichtig; und ===> Werner Martienssen beschloss, uns im ersten Semester einer Schockterapie zu unterziehen: die ===> Hauptachsentransformation des ===> Trägheitstensors.
Spontan wurde mir klar, dass mir sämtliche Grundlagen fehlten. Angefangen bei der Frage: Was ist das überhaupt; eine Matrix? Völlig überrascht stellte ich fest, dass ich vom Typ her der " Faustisch fragende Mensch " aus der Sage geworden war. Die Antwort auf die Frage, was eine Matrix ist, konnte nicht in ihren Elementen verborgen liegen; man musste da holistisch, ganzheitlich denken - aber wie genau?
Matrizen sind ja gerade deshalb so sperrig, weil ihre Algebra nicht kommutativ ist.
Ich machte die Erfahrung; wann immer ich mich bei (Physik)asssistenten erkundigte, kam die Antwort, ich hab net ewig Zeit - mit Grundlagen können wir uns hier wirklich nicht aufhalten.
Bei uns gab es ja ganz typisch diese harten K-Gruppen; in unserem Seminar im 2. Semester war " Karola " - die war in der Mao KPD organisiert. Frag ich; was ist das? Eine Matrix; eine Determinante? Ungefragt brüllt Karola mit ihrem ostfriesischen Akzent durch den Saal
" Weißte dat immer noch näääch? Eine Matrix is definiert durch ihre runden Klammääään und eine Determinante durch de senkrechte ßßßßßßtricheeeee ...
Unn überhoppt houl ich mir jetz ääst mal eine Koulaaa ... "
( womit sie unter den missbilligenden Blicken des Assistenten die Veranstaltung verlässt. )
Wir Physiker mussten ja erst im 3. Semester in die AGULA Vorlesung. Da saßen wir also zusammen mit den ( angeblich so vernünftigen ) Mathe Erstsemestern, die, statt aufzupassen und konstruktive Beiträge zu leisten, ständig Papierflieger nach Herrn Prof. Kerner warfen. Und mit dem Kerner hatte ich es gut getroffen; wir hatten da ganz andere Chaoten, u.a. einen Prof, der sich immer wie ein Hippie verkleidete ... Kerner meinte
" Ach bitt schön; werfen's noch aan Fliager. II hob eang schoo gsagt: Ii hab zwaa Kinder ... "
Bei Kerner wurde mir also klar. Matrizen sind Darstellungen von linearen Abbildungen; ein erster Lichtblick. Du kannst das ganze Zeug übrigens in den beiden AGULA Lehrbüchern von Kowalsky und Greub nachlesen; je zwei Bände. Übersichtlicher geht nimmer.
Meine Fragen zielten eigentlich in eine ganz bestimmte Richtung. ===> Hermitesche Matrizen besitzen ja bekanntlich eine Hauptachsentransformation auf eine Ortonormalbasis; sie gelten als die " reellen Zahlen unter den Matrizen " Tja da taucht doch erstmals die Frage auf: Was ist denn mit den ganzen übrigen nicht-Hermiteschen Matrizen? Haben die jetzt keine Daseinsberechtigung oder wie oder was?
Mir blieb auch das autoritäre Gehabe meiner Kommilitonen nicht verborgen; die bekamen gesagt, sie müssten sich für Hermitesche Matrizen intressieren. Also gehorchten sie und machten vor allen übrigen Matrizen fest die Augen zu ...
Dann nach dem Vordiplom trat etwas völlig Unerwartetes in mein Leben. Inzwischen hat sich nämlich heraus gestellt, dass ich Nutznießer der ===> 68_er Bewegung war, ohne ihr je besonders nahe gestanden zu haben.
Worum geht es? Der Berliner Kultussenator hatte verfügt, ===> QED sei aus dem Curriculum Physik heraus zu nehmen, also in Zukunft kein Pflichtstoff mehr - zu anstrengend, zu verkopft, zu teoretisch, zu Praxis fern.
( Najaa; von Wegen Praxis. Alle Textbücher zum Tema " Laser " quellen zwangsläufig über mit QED . )
Ich selbst hatte eine QED Veranstaltung belegt - mehr Lust los und skeptisch. Ich geriet in die Übungsgruppe von Assistent " gegor Kappatsch " ( Grenoble ) ; und Grenoble genießt Weltruf. Kappatsch verkündete ex catedra, bei ihm finde keine QED statt; er habe da so seine Erfahrungen. Die Studenten leisten eh nix ...
Aber irgendwas müssen wir ja machen. Er schlug vor: ===> Darstellungsteorie von Gruppen ( DTG ) Werner Heisenberg hatte mal geschrieben
" Die Schönheit einer matematischen Teorie wird Laien auf Ewig verschlossen bleiben. "
Bis Heute ist die DTG die wohl ästetischste Teorie, die ich je kennen lernen durfte. Kurz gesagt geht es darum, kannst du eine ( abstrakte ) Gruppe homomorph abbilden auf die Matrixgruppe GL ( n ; |C ) ?
Damals sah ich vor meinem geistigen Auge die bunten Farben von Seifenblasen schimmern; und ständig ging mir im Kopf der Song von Uriah Heep herum
" Nights in White Satin "
Kappatsch war ja nicht unfreundlich; aber sein Auftreten befremdete mich. Er gab den preußischen Gardeleutnant - allein schon in seiner Kerzen geraden Körperhaltung. Er verlangte praktisch von uns, dass wir den Stoff auswändig repetierten - in seinen Augen schien Verständnis eher sekundär zu sein. Wer die Antworten nicht wusste, den raunzte er an, schlafen Sie nicht; seien Sie nicht unaufmerksam ...
Wie gesagt. Ich nahm es als Anregung: und während der Semesterferien vertiefte ich mich aus Neigung in die einschlägige Literatur.
Zum ersten Mal im Leben spürte ich: Jetzt habe ich kapiert, was eine Matrix ist.
Ich löste mich von dem einzelnen Matrixelement. Wie soll ich sagen? Ein Konzert entsteht erst dadurch, dass dirigent, Noten und Solisten zusammen wirken.
In der DTG geht es in erster Linie um algebraische Strukturen, um Symmetrien und Invarianzen - nicht um das konkrete einzelne Matrixelement.
DTG ist ein reines Orchideenfach. Hätte es damals Klausuren gegeben in Frankfurt, ich hätte keine Zeit gehabt für sowas. Da siehst du mal wieder, wie schädlich Klausuren sind für die freie Entfaltung des Potenzials eines Studenten. Immerhin ist QM Matrizenmechanik; und meine Erfahrungen in DTG vermittelten mir schon ein tieferes Verständnis der QM .
Wäre mein Daddy Physiker gewesen - möglichst noch ===> Walter Greiner das Ekel vom Dienst ( mein Daddy war Ingenieur ) - er hätte mir diese DTG wohl untersagt und mir geraten, fang endlich an, Diplom zu schreiben.
Ich möchte dir nur Mut machen. Ich sagte dir ja schon, die Matrixalgebra wird als sperrig empfunden bis auf den heutigen Tag, weil sie nicht kommutativ ist. Beinahe stündlich werden neue Wahrheiten zu Tage gefördert.
Du musst dich auch nicht kaprizieren auf Eigenwerte. Matrizen begegnern dir ja buchstäblich auf allen Gebieten der Matematik. Geh in die Richtung, wo du die meiste Neigung verspürst; dann hast du noch am Ehesten die Chance, etwas Intressantes zu entdecken.
Ich selbst bin ja meinen Eigenwerten treu geblieben.
Die genialste Dissertation, ===> Brian Josephson, umfasst nur 9 S . und ist nobelpreis gekrönt ...
Ich selbst bin typisch das Genie der zweiten Reihe; ich habe meine etwas gestreckt auf 35 S. damit es nicht gar so wenig ist.
Ein neues Eigenwert-Berechnungsverfahren; wie sich später heraus stellte, sind die ganzen Geistesriesen Heisenberg, Neumann, Pauli und Jordan nur knapp an meiner Entdeckung vorbei geschrammt.
Sowas würdest du beim Fußball als Achtungserfolg titulieren.
Ist doch schön, dass auch für mich nochwas bleibt ...