+4 Daumen
1,6k Aufrufe

"Alles in allem werden an unseren Schulen von den falschen Leuten nach den falschen Methoden die falschen Dinge unterrichtet. Die Kinder werden nicht mehr auf die Gesellschaft vorbereitet, in die sie hineinwachsen." Zitat, Philosoph Precht

Wegweisende Diskussion von Richard David Precht mit dem Hirnforscher und Schulkritiker Gerald Hüther.

https://www.youtube.com/watch?v=yxKuSS_qn28

Zum Video auf ZDF: https://www.zdf.de/gesellschaft/precht/skandal-schule-100.html

Meiner Meinung ist es ein etwas irreführender Titel: "Skandal Schule - Macht Lernen dumm?", aber es sind sehr interessante Ideen, Kritiken und Ansätze enthalten. Insbesondere die Einleitung ist interessant.

Hier die Stellen, die ich erwähnenswert finde:

07:30 Lehrer als Potenzialentfaltungscoach

11:35 "nur unser komischer Bildungsbegriff verwechselt die Fähigkeit, sich in diesem Bildungssystem einigermaßen durchzuschlagen, mit Begabung" - Anmerkung: Mit anderen Worten, je besser man auswendig lernen kann oder eine Schulaufgabe vorgabenkonform lösen kann, desto "begabter" wird man eingestuft.

12:40 "Aufgabe von Schulen müsste es nicht sein, die (Kinder) alle gleich zu machen"

14:10 Es werden diejenigen belohnt, die sich am besten anpassen.

15:40 "Bildung ist etwas, das sich ereignet"

16:30 Bildung ist Anleitung zur Selbstbildung (Humboldt)

17:00 historisch wurde Individualität nicht benötigt (Industriearbeiter)

18:20 "Neugier" als negatives Wort, obwohl es das Schönste ist, was ein Kind mitbringt

20:15 Wir wissen nicht, wofür wir unsere Kinder bilden wollen. (!)

22:20 Beziehungsmuster / Erfahrung (geistig) wird materiell (Hirnstrukturen) - und das kann wieder abgerufen werden

24:20 Nichts ist hängengeblieben

27:50 "Ob jemand im Leben auch großartige Dinge leistet, das wird gar nicht entschieden. Durch das, was in der Schule an Wissen vermittelt wird. Sondern, das wird entschieden an der Frage, ob es diesem Jungen/Mädchen gelungen ist, in diesem Schulsystem seine Leidenschaft zu behalten."

30:25 keine Zensuren mehr und keine negativen Konsequenzen

32:00 Mentalitätswandel ...

34:35 Zensuren nicht als Selektionskriterium (!)

39:30 Veränderung kommt nur durch Leidenschaft und Begeisterung


Wir hoffen, auch bei euch findet die Diskussion anklang.

geschlossen: News
von mathelounge
Avatar von 2,3 k

Hier sprechen zwei kluge Menschen über eine sehr wichtige Frage: "Was ist Bildung?" Damit wird - wie man leider erleben muss - ein zu weites Feld beackert. In einem großen Rundumschlag gehen viele wahre Sätze in einem Wust von Halbwahrheiten unter. Auch Widersprüchlichkeiten werden locker mit untergepflügt. Richtig ist Hüthers ständig wiederholte These, dass es im Rahmen von Bildung auf Kreativität, Entdeckerfreude, Begeisterung und Neugier des zu Bildenden ankomme. Nicht erwähnt bleibt, dass diese wichtigen Antriebe einen Urspung und (in Ansätzen) ein Ziel haben müssen. Erkennen setzt Wissen voraus und Wissen kann nicht nur in der Selbständigkeit des Lernenden erworben werden. Wissen baut auf vorhandenem Wissen auf. Die Alternative wäre, das Rad neu zu erfinden, was jeder belächeln würde.

Das Feld, um das es geht, kann aus einsichtigen Gründen nicht weit genug sein... Ohne "Rundumschlag etc.", als Einstieg in die Materie, geht`s nicht. Dieser Umstand brachte mich zum Nachdenken:

1. Die globale, zahlenmäßige Bevölkerungsentwicklung, deren Ausmaße und Folgen für Umwelt und Leben unübersehbar geworden sind, beeinflussen auch jede noch so gut gemeinte und gut durchdachte Schulbildung der meisten Länder; daher sind in alle Überlegungen und Ausführungen soziologische Tatsachen und deren Begründungen mit aufzunehmen.


2. Wo bleibt der versammelte Widerstand der Professoren in der Lehrerausbildung, die im Grunde dazu berufen sein sollten? Ebenso der Lehrer/innen und deren Meinungsvertreter?

Lieber Mathefreund, ich stimme dir überwiegend zu. Dass aber ein Rundumschlag der geeignete Einstieg in die komplexe Materie sei, möchte ich bezweifeln. Der vorliegende Rundumschlag ist zudem ein flotter Mix aus wichtigen Wahrheiten, Halbwahrheiten und Widersprüchen.

In diesem Forum tummeln sich, wie ich annehme, viele Lehrer. Warum kommt denn hier keine Diskussion mit großer Beteiligung zu Stande? Kein Lehrer ist geneigt, sich selbst und seinen Berufsstand so kritisch zu sehen, wie Precht und Hüther. Wer will denn schon sein tägliches Tun in Zweifel ziehen?

Rolands letzter Satz ..."tägliches Tun in Zweifel ziehen" verdient überdacht zu werden, zumal ich kein Lehrer bin: Wenn Tausende - vielleicht wöchentlich - dieses Forum frequentieren und überwiegend Lehrer sind, scheint das  diskutierte Bildungsthema in den Wind gepustet zu sein; oder sollte gar das mangelnde Interesse, sich zu diesem Thema schriftlich zu äußern, tiefer zu liegen? Ich glaube, bis jetzt, ja! Haben vor allem Lehrer/innen  hier etwas zu der offensichtlichen Bildungsmisere zu sagen aufgegeben? Wo bleiben die Meinungen von Autoren zu erziehungswissenschaftlichen Fragen? Vielleicht sind aber auch alle irgendwie gesättigt, wollen ihre Stellungen nicht verlieren, in Mißkredit geraten, kurz vor der Pension stehend, einfach nicht auffallen... etc.

Ist die gesamte Lehrerschaft mutlos, kraftlos, saftlos aufgrund der zweifellos täglichen Überlastung und/oder des jeweiligen in die Gegenwart hinüberzielenden ideologisch überfrachteten Hintergrundes, der die Lippen verschließt?

Egal, was vor allem Praxisleute zu der dt. Bildungsmisere sagen, es ist wichtig und muß zum Nachdenken führen.

Es ist weniger ein Mangel an Interesse, dass sich Fachleute (Lehrer, Hochschullehrer) kaum zum Thema "Was bedeutet der Bildungsauftrag?" äußern. Es ist eher ein Mangel an Neigung und letztlich Resignation.

Die Antwort auf die Frage "Was ist Bildung?" ist politisch vergegeben. Die Kultusbürokraten wollen und müssen die politischen Vorgaben erfüllen. Kritische Lehrerstimmen werden im günstigsten Falle überhört oder führen zu dienstlichen Tadeln. Kritik von Wissenschaftlern zieht eine Kürzung der staatlichen Zuwendungen nach sich.

Gerade deshalb ist ein Rundumschlag wenig hilfreich. Das gilt umso mehr, wenn dabei Wahrheiten, Halbwahrheiten und Widersprüchlichkeiten vermischt werden. Um Politiker zu überzeugen, mussen Fakten genannt werden, die politisch von Bedeutung sind. Da hat aber leider die Wirtschaft die besseren Argumente. Deshalb diktiert die Wirtschaft der Politik heute die Antworten auf die Bildungsfragen.

Das von Humboldt formulierte Bildungsideal sieht den Bildungsbegriff frei von Wirtschaftsinteressen. Da findet man keinen Ansatz, die Politik zu überzeugen.

Hallo Roland,

Zu Deinem 1. Absatz: Wenn es so ist, was für ein Menschenbild verbirgt sich fast in summa hinter dem, man kann es nicht genug erörtern,  wichtigen, selbst gewählten Auftrag, Bildung, verbunden mit Menschen- und Umweltfreundlichkeit, zu vermitteln? Hierzu bedarf es keiner großangelegten Ideologie, direktiv niedergeschrieben in bildungspolitischen Richtlinien mit konkreten Auswirkungen auf den Schulalltag.

Ich gebe zu, Mut und Tatkraft sind wohl im Schulalltag gefragt, um "Resignation" nicht aufkommen zu lassen. Das sagt sich so leicht, ohne involviert zu sein. Dennoch sollen Lehrer beispielhaft und pflichtbewußt ihren Lehrauftrag auch vorleben ( Dazu kann man sicher ganz viel sagen ) und das relativ frei.

Zum 2. Absatz:Ja, beklagenswerte Zustände. Zu den kritischen Lehrerstimmen: Durch welches Schul- und Ausbildungssystem sind diese Lehrer  gegangen?, eng verbunden mit unserem polit. System und deren mehrheitlich gewählten Vertretern, die solche Zustände begünstigen. Hier sind mindestens die Standesvertretungen gefragt, sich energisch Gehör zu verschaffen und die Finger begründet in die Wunden zu legen! - und das unter Einbeziehung wirtschaftlicher Aspekte; Stichwort Lobbyismus.

Hier erinnert sich einer mit Begeisterung an die Schule http://www.srf.ch/sendungen/hoerspiel/ein-sommer-der-bleibt-peter-kurzeck-erzaehlt-das-dorf-seiner-kindheit-von-peter-kurzeck-und-klaus-sander-1-5

Vielleicht ist diese Hörspielreihe auch im Ausland zu hören.

Hallo Mathefreund, leider habe ich nicht so ganz verstanden, wessen "Menschenbild" du meinst. Das der Lehrer, der Wissenschaftler, der Bildungsbehörden oder der Politiker? Und selbst wenn das geklärt wäre, von welchem Menschenbild sollte sich die fragliche Personengruppe deiner Meinung nach leiten lassen?

Hallo Roland,

Ja, Fragen und Antworten, resultierend aus dem jeweiligen Menschenbild, von dem sich  Lehrer, Politiker, Hochschullehrer etc. bei ihrer Arbeit leiten lassen, interessieren mich  hinsichtlich ihres wichtigen ( nicht nur bildungspäd .)  Auftrages; also auch schlicht, wie beispielsweise verantwortliche Menschenfreundlichkeit  und Umweltbezogenheit... vermittelt werden. Wenn die "Frage, ist Bildung politisch vorgegeben" und zu deren inhaltlichen Beantwortung "die Kultusbürokraten..." und vor allem die Lehrerschaft etc. hierbei mit Antworten/Diskussionen öffentlich nicht mitwirken dürfen, verstehe ich deren ganzes Stillhalten in dieser Angelegenheit nicht. Gewiß, ein hundertprozentiger Konsens ist bei weltanschaulich aufgeladenen Fragen und deren Beantwortung naturgemäß nicht zu erwarten, aber eine allgemeine Richtung, mehrheitlich vertreten, sollte schon erkennbar sein: Denn  Auswahl, Gestaltung der formalen Bedingungen und Modalitäten in der Bildungsvermittlung dürfen nicht ( wenn wir in Richtung miteinander leben unter Einbeziehung der belebten Umwelt und allgemeiner Ressourcen ) ausschließlich eine polit. Angelegenheit sein, wie die gegenwärtigen ( Aus-) Bildungsverhältnisse aufzeigen.

Hallo Mathefreund, jetzt ist klar, du meinst das Menschenbild aller am Bildungsprozess Beteiligter. Ich antworte hier aus der Perspektive der Lehrer:

Ein Lehrer ist meistens Beamter und hat zu Beginn deines Dienstes einen Amtseid geleistet. Dabei verspicht er, der Bundesrepublik treu zu dienen. Das schließt ein, dass er die politischen Vorgaben erfüllt. Wenn er sie nicht erfüllt, hat das Konsequenzen bis hin zum Verlust der Beamtenrechte. Der Lehrer wird weniger von einem Menschenbild geleitet, als vielmehr von einem Bild einer funktionsfähigen Staatsgemeinschaft.

Aber diese Diskussion bewegt sich immer weiter weg von der urspünglichen Thematik. Meine Kritik an Precht und Hüther war die Vermischung von Wahrheiten, Halbwahrheiten und Widerspüchen. Mit so einem Mix kann man kaum überzeugen, schon gar nicht die Entscheidungsträger oder die übrigen Fachleute.

Bei Rückkehr zu dieser Thematik werde ich die Diskission gerne fortführen.

Ein anderes Problem?

Stell deine Frage

Willkommen bei der Mathelounge! Stell deine Frage einfach und kostenlos

x
Made by a lovely community