Fast jeder hat in der Grundschule das kleine Einmaleins auswendig gelernt. Die schnelle Abrufbarkeit von Multiplikationsergebnissen mit einstelligen Faktoren erweist sich als ausgesprochen vorteilhaft, wenn auf solche Produkte im Rahmen weitergehender Aufgaben zurückgegriffen werden muss. Das ist zunächst bei der Durchführung von schriftlichen Multiplikationen mehrstelliger Zahlen von Bedeutung. Aber auch die Division einer zweistelligen durch eine einstellige Zahl wir simultan mit geübt: 56:7 kann man als die Aufforderung verstehen, den Platzhalter in 7ˑ =56 zu suchen. Auch die bis zu zehnfache Addition gleicher einstelliger Summanden wird mit der Beherrschung des kleinen Einmaleins automatisiert: 7+7+7+7+7+7+7+7=8ˑ7.
Die Tatsache, dass das ‚kleine Einspluseins‘ nicht auswendig gelernt wird, geht sicher darauf zurück, dass Additionsergebnisse rasch erschlossen werden können – auch mit Überschreitung des Zehners. Gerade die Zehnerüberschreitung erfordert die Technik der Ergänzung auf den vollen Zehner: 8+7=5+3+7=5+10 =15. Stillschweigend wird dabei die Gültigkeit des Assoziativgesetzes und des Kommutativgesetzes der Addition vorausgesetzt. Auch die Beherrschung der Subtraktion, welche in der Bestimmung des Platzhalters in 7+=10 steckt, wird hier bereits vorausgesetzt. Die Technik des Zehnerübergangs setzt implizit eine einfache Form der Rückführung der Subtraktion auf die Addition voraus.
Diese Analyse elementarer Prozesse, die von SuS beim Rechnen mit den Grundrechenarten durchzuführen sind, zeigt eine Besonderheit: Subtraktion, Division und Addition erfordern ein Verstehen dessen, woher diese Operationen kommen: Addition ist in der ersten Annäherung ein Weiterzählen. Später kommen andere Additionsmodelle hinzu und die Automatisierung erfolgt schließlich ‚so nebenbei‘. Die Subtraktion wird auf die Addition zurückgeführt und die Division wird auf die Multiplikation zurückgeführt. Lediglich bei der Multiplikation soll etwas auswendig gelernt werden. Wer verstanden hat, was Multiplikation ursprünglich ist, kann auch hier auf das Auswendiglernen verzichten. Es genügen im Wesentlichen die Kenntnis der Quadratzahlen und der Operationen des Verdoppelns und Halbierens. Zusammen mit bekannten Additionsmodellen können damit alle Multiplikationsergebnisse erschlossen werden. Nachteil dabei ist, dass die Zeit zwischen Aufgabe und Nennung des Produktes etwas länger ist als bei Nennung des auswendig gewussten Ergebnisses. Aber genau wie bei der Addition, deren ‚Einspluseins‘ ja auch nicht auswendig gelernt wird, stellt sich nach einiger Zeit eine Automatisierung ein, die das schnelle Auffinden von Produkten ermöglicht.
Diese frühe Erkenntnis hinsichtlich der Schnelligkeit des Abrufens auswendig gelernter Ergebnisse prägt in vielen Fällen auch in späteren Jahren den Zugang zur Mathematik. Begünstigt wird diese Prägung durch die Unausweichlichkeit, mit der in anderen Schulfächern Geschichtszahlen, Landeshauptstädte, Gedichte oder Vokabeln auswendig gelernt werden müssen. Dabei ist Mathematik (neben Sport) das einzige Schulfach, in dem (fast) nichts auswendig gelernt werden muss. Das Verstehen und die Rückführung neuer Inhalte auf verstandene Inhalte genügen. Dieser Zugang zur Mathematik ermöglicht darüber hinaus auch das Erlebnis eines selbständigen mathematischen Wissensgewinns – ein Erlebnis, das Freude über den Erfolg der eigenen Bemühungen auslöst. Das kann nicht nur motivieren, sich mit Mathematik zu beschäftigen, sondern auch ein zutreffendes Bild von der Mathematik erzeugen.