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Hallo, ich habe eine Frage zum Limes/ Grenzwert:

Mal angenommen, ich Bilde den Limes der Funktion f(x)=1/x und lasse x->unendlich gehen, dann beträgt der Grenzwert 0.

Soweit so gut. Nun lese ich oft in der Literatur den Hinweis, dass sich die Funktion diesem Grenzwert nur annähert und diesen nie erreicht, nur belieg nahe kommt.

Das ist soweit auch nachvollziehbar.

Jetzt kommt aber mein eigentliches Problem:

Die Differentialrechnung bzw die Differenzierbarkeit wird ja ebenfalls mit Grenzwertübergängen definiert. Kann man also sagen, dass zb die erste Ableitung von f(x)=x² an der Stelle x=1 gar nicht exakt 2 ist, sondern der Grenzwert der Zahl 2 nur beliebig nahe kommt? Also egal, wie unendlich klein die Abweichung auch sein mag, aber nie die exakte Zahl 2 herauskommt?

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Da ∞ keine Zahl ist, erreicht X diesen Weg nicht und deshalb erreicht auch y=1/x den Wert 0 nicht.

x=1 ist aber eine Zahl und der Grenzwert des Differenzenqoutienten von y=x² wird angenommen und beträgt 2

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Bei \(f(x)=x^2\)  heißt es für die Ableitung

\( \lim\limits_{h\to 0}\frac{(x+h)^2-x^2}{h} =\lim\limits_{h\to 0}\frac{2hx+h^2}{h}=2x\)

Wenn du nun  \(x=1\)  einsetzt, so bekommst du exakt 2 als Steigung und nicht ungefähr 2.

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Vielleicht kann ich es konkretisieren:

Wenn ich deine oben genannte Gleichung weiter kürze, komme ich auf:

lim h->0  2x +h

h wird ja nun unendlich klein, aber nie exakt 0. Dies ist mein Problem. Ist es verständlich, was ich meine?

Zwei Gedanken dazu:

Mathematische Präzision:
Die Mathematik arbeitet mit idealen Konzepten. Sobald ein Grenzwert existiert und definiert ist, wird das Ergebnis als exakt betrachtet, nicht als Annäherung.

Philosophische Sichtweise:
Aus einer philosophischen oder praktischen Perspektive könnte man argumentieren, dass jede mathematische Berechnung eine Abstraktion der Realität ist. In diesem Sinne wäre jedes mathematische Ergebnis eine "Annäherung" an eine ideale Wahrheit. (vgl. platonischer Idealismus) Im Denken wird h zu Null.

Wenn ich dir 2,0000...1 Euro schulde, wirst den Nachkommabetrag sicher nicht gerichtlich von mir einfordern wollen, oder? :)

Sicherlich auch interessante Sichtweisen. Wie gesagt, ich würde es einfach gerne nachvollziehen.


Was ich nun auch schon gelesen habe, ist, dass reelle Zahlen als Grenzwerte definiert sind, sodass man doch von exakten Ergebnissen sprechen kann.

Mal schauen, was hier noch kommt.

h wird ja nun unendlich klein, aber nie exakt 0. Dies ist mein Problem. Ist es verständlich, was ich meine?

In diesem konkreten Fall musst du \(h\) gar nicht gegen 0 gehen lassen, sondern kannst direkt \(h=0\) setzen, weil der Ausdruck dafür definiert ist. Der Grenzwert ist dann exakt 2.

In der Definition des Grenzwertes kommt der Begriff "Gehen" überhaupt nicht vor.

Nennen wir es halt "konvergiert gegen".

Besser?

Ich wollte darauf hinweisen, dass die Grenzwert-Definition nicht dynamisch sondern statisch ist.

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Wenn man von Grenzwerten redet, muss man unterscheiden, ob diese auch angenommen werden oder nicht.

Im Fall von \(\frac{1}{x}\) beträgt der Grenzwert zwar 0 für \(x\rightarrow \infty\), wird aber nicht angenommen. Wie du schon sagst, nähert sich der Ausdruck nur beliebig nahe dem Wert 0.

Im Fall der Ableitung von \(f(x)=x^2\) wird der Grenzwert aber auch angenommen. Vergleiche dazu deine Rechnung und meinen entsprechenden Kommentar. Der Ausdruck \(2x+h\) geht für \(h\rightarrow 0\) gegen \(2x\). Da der Ausdruck aber für \(h=0\) wohldefiniert ist, kann ich auch \(h=0\) direkt einsetzen und erhalte als Grenzwert \(2x\), was in diesem Fall exakt ist.

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Du meinst er beträgt bei 1/x 0 für x-> unendlich, oder?

Woher weiß ich, ob der Grenzwert angenommen wird oder nicht? Deine Antwort scheint mich der Sache schon näher zu bringen, vielen Dank.

Ja danke, Tippfehler ist korrigiert.

Nun, im ersten Fall kannst du \(\frac{1}{\infty}\) nicht berechnen. Im zweiten Fall, kannst du \(2x+0\) aber berechnen.

Dann möchte ich nochmal konkret für einen anderen Fall fragen:

Wenn ich zb die Ober- oder Untersumme eines Integrals berechne und ebenfalls den Grenzwertübergang n-> unendlich durchführe, dann habe ich in der Regel oft Ausdrücke, in denen 1/n vorkommt. Hier würden dann ja die Grenzwerte nicht angenommen werden, sodass das Ergebnis nicht ganz exakt ist, oder?

Ist es klar, was ich meine?

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Aloha :)

In der Natur gilt die Heisenberg'schen Unschärferelation \(\Delta p\cdot\Delta x\ge\frac{h}{4\pi}\). Sie besagt, dass man den Impuls \(p=m\cdot v\) eines Teilchens (also das Produkt aus seiner Masse \(m\) und seiner Geschwindigkeit \(v\)) und seinen Aufenthaltsort \(x\) nicht zugleich exakt bestimmen kann. Das Planck'sche Wirkungsquantum \(h\approx6,626\cdot10^{-34}\,\mathrm{Js}\) ist zwar winzig klein, aber eben nicht Null.

Ein vereinfachtes Bild der Quantenwelt sieht wie folgt aus. Ein Teilchen kannst du dir wie ein Quanten-Wollkneuel (Wellenpaket) vorstellen, das sich an einem Ort \(x_1\) befindet. Wenn sich das Teilchen nun zu einem Ort \(x_2\) bewegt, wickelt sich das Quanten-Wollkneuel am alten Ort \(x_1\) ab und rollt sich am neuen Ort \(x_2\) wieder zusammen. Das Teilchen befindet sich bei seiner Bewegung also zu Teilen an beiden Orten \(x_1\) und \(x_2\) zugleich. Die Wege, die einzelne Quanten beim Abwickeln und Wieder-Aufwicklen wählen, sind zufällig, sodass der Verlauf \(x(t)\) zwischen \(x_1\) und \(x_2\) unbekannt ist.

Die Natur wählt für den Übergang zwischen 2 Quanten-Zuständen immer einen schnellsten Weg (der nicht zwingend auch der kürzeste sein muss). Das zum Übergang nötige Zeitintervall \(\Delta t\) ist daher immer minimal, aber nie Null. Zusammen mit den beiden Orten \(x_1\) und \(x_2\) von oben kannst du nun eine Geschwindigkeit \(v=\frac{x_2-x_1}{\Delta t}\) bestimmen. Aber du kannst diese Geschwindigkeit nicht einer bestimmten Position \(x_1\) oder \(x_2\) zuordnen.

Die Heisenberg'sche Unschärferelation spiegelt im Prinzip wider, dass es in der Natur auf der kleinsten Skala keine Null und kein Unendlich gibt. Daher gibt es in der Natur auch keine Grenzwerte gegen Null oder gegen Unendlich.

https://de.wikipedia.org/wiki/Planck-Einheiten

In der Mathematik ist das anders. Bei einer differenzierbaren Funktion \(x(t)\) sind die Werte zwischen den zwei Funktionswerten \(x_1=x(t_1)\) und \(x_2=x(t_2)\) exakt bekannt. Es ist also während des Übergangs von \(x_1\) zu \(x_2\) der genaue Wert von \(x(t)\) bekannt und man kann das Zeitintervall \(\Delta t\) theoretisch immer kleiner machen und schließlich sogar gegen Null gehen lassen, um eine Geschwindigkeit am Ort \(x_1\) zu bestimmen:$$v=\lim\limits_{\Delta t\to0}\frac{x(t_1+\Delta t)-x(t_1)}{\Delta t}$$Daher sind in der Mathematik Grenzwerte tatsächlich definiert und dann auch theoretisch exakt. Aber physikalisch werden diese Grenzwerte tatsächlich nie erreicht.

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