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Moin!

Ich beschäftige mich aktuell mir Galoistheorie und dort habe ih folgende Unschlüssigkeit:

Wir haben anfägnlich die Galoisgruppe so definiert:


Definition 3.1.1. Sei \( f(X) \in \mathbb{Q}[X] \) ein Polynom vom Grad \( n \geq 1 \) mit rationalen Koeffizienten und seien \( \lambda_{1}, \lambda_{2}, \ldots, \lambda_{n} \in \mathbb{C} \) die komplexen Nullstellen (möglicherweise mit Vielfachheiten) von \( f(X) \). Die Galoisgruppe
\( G(f) \leq S_{n} \)
von \( f \) über \( \mathbb{Q} \) ist die Untergruppe, bestehend aus denjenigen Permutationen \( \sigma \), welche die folgende Bedingung erfüllen:
- Für jedes
\( r\left(X_{1}, X_{2}, \ldots, X_{n}\right) \in \mathbb{Q}\left[X_{1}, X_{2}, \ldots, X_{n}\right] \)
mit \( r\left(\lambda_{1}, \lambda_{2}, \ldots, \lambda_{n}\right)=0 \) gilt auch \( r\left(\lambda_{\sigma(1)}, \lambda_{\sigma(2)}, \ldots, \lambda_{\sigma(n)}\right)=0 \).
In anderen Worten, \( G(f) \) ist die Untergruppe derjenigen Permutationen, die alle algebraischen Relationen über \( \mathbb{Q} \) der Nullstellen von \( f(X) \) erhalten.

Des Weiteren haben wir noch dies definiert:


Sei \( L \) ein Körper. Einen bijektiven Ringhomomorphismus \( \sigma: L \rightarrow L \) nennen wir auch Körperautomorphismus von \( L \) und bezeichnen die Menge der Körperautomorphismen von \( L \) mit \( \operatorname{Aut}(L) \). Für eine Körpererweiterung \( L / K \) bezeichnen wir
\( G(L / K):=\{\sigma \in \operatorname{Aut}(L) \mid \forall x \in K: \sigma(x)=x\} \leq \operatorname{Aut}(L) . \)

und dieses Beispiel irritiert mich jetzt ein wenig sehr stark:

Beispiel 3.3.1. Sei \( f \in \mathbb{Q}[X] \) ein Polynom und \( \mathbb{Q}(f) / \mathbb{Q} \) die Körpererweiterung aus Beispiel 3.2.2. Dann gilt (!)
\( G(\mathbb{Q}(f) / \mathbb{Q}) \cong G(f) . \)

wobei das das Bsp. 3.2.2 ist:

Sei \( f(X) \in \mathbb{Q}[X] \) ein Polynom vom Grad \( n \geq 1 \) mit Nullstellen \( \lambda_{1}, \ldots, \lambda_{n} \in \mathbb{C} \). Sei \( \mathbb{Q}(f) \) das Bild des Ringhomomorphismus
\( \varphi: \mathbb{Q}\left[X_{1}, \ldots, X_{n}\right] \rightarrow \mathbb{C}, f\left(X_{1}, \ldots, X_{n}\right) \mapsto f\left(\lambda_{1}, \ldots, \lambda_{n}\right) \)

Dann ist \( \mathbb{Q}(f) / \mathbb{Q} \) eine endliche Körper(!)erweiterung (vom Grad \( \left.\leq n^{n}\right)(!) \).

.


Ich frage mich jetzt, warum diese Isomorphie dort besteht, da ja, falls \(f\) auch rationale Nullstellen \(\lambda_1,...,\lambda_m\) hat, diese zwar durch die Galoisgruppe \(G(f)\) permutiert werden können, aber eben durch \(G(Q(f)/Q)\) nicht, da dort diese ja nach der Definition auf sich selbst abgebildet werden müssten?


Vielen Dank im Voraus!

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Beste Antwort

Eine kleine Bemerkung vorab: Damit die gewünschte Isomorphie gilt, darf \(f\) keine mehrfachen Nullstellen besitzen. Als Gegenbeispiel kann man hier

\(f(X) = X^2\)

betrachten mit der doppelten Nullstelle \(\lambda_1 = \lambda_2 = 0\). Für das Bild des Ringhomomorphismus \(\varphi\) erhalten wir \(\mathbb{Q}(f) = \mathbb{Q}\). Und somit ist \(G(\mathbb{Q}(f)/\mathbb{Q})\) trivial (d.h. sie enthält nur die Identität). Auf der anderen Seite erhalten wir für die Galoisgruppe \(G(f) = S_2\). Sie ist also nicht trivial. In diesem Fall gilt also keine Isomorphie.


Wir nehmen hier also an, dass die Nullstellen von \(f\) paarweise verschieden sind.

Klären wir nun deine Frage zu den rationalen Nullstellen. Wenn die Nullstelle \(\lambda_1\) rational ist, dann ist ja

\(r(X_1,\dots,X_n) = X_1 - \lambda_1\)

ein Polynom in \(\mathbb{Q}[X_1,\dots,X_n]\) mit \(r(\lambda_1,\dots,\lambda_n) = 0\). Für ein \(\sigma \in G(f)\) muss dann auch

\(\lambda_{\sigma(1)} - \lambda_1 = r(\lambda_{\sigma(1)},\dots,\lambda_{\sigma(n)}) = 0\)

sein. Da die Nullstellen von \(f\) paarweise verschieden sind, folgern wir \(\sigma(1) = 1\). Wir sehen also: Die rationale Nullstelle von \(f\) wird von Elementen der Galoisgruppe festgehalten.


Kommen wir nun zur Isomorphie. Für ein \(\sigma \in G(f)\) erhalten wir einen Automorphismus

\(\mathbb{Q}(f) \to \mathbb{Q}(f), \enspace \varphi(g) \mapsto \varphi(g^\sigma)\),

wobei wir \(g^\sigma(X_1,\dots,X_n) = g(X_{\sigma(1)},\dots,X_{\sigma(n)})\) definieren. Es ist zu beachten, dass die Wohldefiniertheit dieser Abbildung nicht trivial ist. Man benötigt hier die Tatsache, dass \(\sigma\) ein Element der Galoisgruppe ist. Wenn man sich aber von ihrer Wohldefiniertheit überzeugt hat, dann ist hoffentlich klar, dass die Abbildung \(\mathbb{Q}\) festlässt, also ein Element in \(G(\mathbb{Q}(f)/\mathbb{Q})\) ist.

Wir haben also einen Weg gefunden, einer Permutation in \(G(f)\) einen Automorphismus in \(G(\mathbb{Q}(f)/\mathbb{Q})\) zuzuordnen. Man kann nachrechnen, dass es sich hierbei um einen Gruppenhomomorphismus handelt. Um einzusehen, dass dies tatsächlich der gewünschte Isomorphismus ist, konstruieren wir jetzt noch die passende Umkehrabbildung.

Sei \(\psi \in G(\mathbb{Q}(f)/\mathbb{Q})\). Wegen \(\lambda_i = \varphi(X_i) \in \mathbb{Q}(f)\) ist \( \psi(\lambda_i)\) eine wohldefinierte, komplexe Zahl. Beachten wir nun, dass \(\psi\) ein Automorphismus ist, der die rationalen Koeffizienten von \(f\) festlässt, erhalten wir

\(f(\psi(\lambda_i)) = \psi(f(\lambda_i)) = \psi(0) = 0\).

Es ist also \(\psi(\lambda_i)\) eine der Nullstellen von \(f\), d.h. es gibt ein \(\sigma(i) \in \{1,\dots,n\}\) mit \(\psi(\lambda_i) = \lambda_{\sigma(i)}\). Man kann sich nun überlegen, dass die so entstandene Abbildung \(\sigma\) ein Element der Galoisgruppe \(G(f)\) ist.

Wir haben also eine Abbildung konstruiert, die einem Automorphismus in \(G(\mathbb{Q}(f)/\mathbb{Q})\) eine Permutation in \(G(f)\) zuordnet. Man muss sich jetzt noch überlegen, dass diese Abbildung tatsächlich invers zu der obigen Konstruktion ist, aber wenn man das gemacht hat, dann ist die Isomorphie jetzt bewiesen.


Ich hoffe, dass ich mit meiner Antwort ein bisschen Licht ins Dunkel bringen konnte. Bei Rückfragen kannst du dich immer gern melden.

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Vielen Dank für diese ausführliche, sehr aufschlussreiche Antwort!

Das hat mir sehr geholfen!!

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